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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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war hellgrün, das andere aber leuchtete dunkelbraun.
    »Schwarze Haare würde ich das da nun wirklich nicht nennen«, bemerkte sie. »Wie kommst ausgerechnet du bitte schön darauf, ein Mensch zu sein?«
    Tobbs schluckte und trat einen Schritt zurück.
    »Ich bin doch einer! Glaube ich jedenfalls. Oder … siehst du wirklich etwas anderes?«
    Die Frau schnalzte mit der Zunge und nickte. »Darauf kannst du wetten.«
    Die folgende Frage zu stellen, kostete Tobbs unendlich viel Mut. »Und … was siehst du?«
    »Wenn du es selbst nicht weißt, ist es nicht meine Aufgabe, es dir zu sagen. Außerdem kann sogar ich mich irren. Aber im Augenblick kommt es auch gar nicht darauf an, wer oder was du bist, sondern nur darauf, für wen dich die anderen halten. Den, der mit der Göttin der Zerstörung spricht, den vom Himmel Gefallenen. Ach, da hast du ja einen weiteren Beweis: Kein Mensch hätte diesen Sturz überlebt.«
    »Das war nur Glück. Zufällig war da der Schweb-Eichenast in der Luft – und die Pfeile haben mich verfehlt.«
    »Die Mauerschützen sind keine Blinden. Und ein Schweb-Eichenast in dieser Gegend? Nein, so viele glückliche Zufälle sind keinem Menschen gegeben.«
    Plötzlich hatte Tobbs es noch viel eiliger, diese Stadt zu verlassen.
    »Wie heißt du?«, fragte die Frau nun.
    »Tobbs«, murmelte er. »Gibt es hier einen Ausweg? Ich muss hier raus, sofort!«
    Die Frau zupfte an ihrem weißen Haar und zuckte bedauernd die Schultern. »Ist nicht so einfach – nur die Priester kennen den Weg durch die Spiegel. Und da wir wohl eine Weile hier miteinander verbringen werden …«
    »Das werden wir ganz sicher nicht!« Tobbs schritt den Raum ab, spähte hinter den Schrein, ging an den Spiegeln vorbei und hielt Ausschau nach einer Tür, einem Spalt, irgendeinem Ausgang. Doch das Einzige, was er sah, waren die wolkigen Schatten seines Spiegelbildes in den anderen Spiegeln. Und hier und da ein fremdes Augenpaar, das ihn erstaunt musterte.
    »Auch wenn wir nur kurze Zeit hier sein sollten«, fuhr die Frau ungerührt fort, »möchte ich doch, dass du meinen Namen kennst. Ich bin Mamsie Matata.«
    »Das ist aber kein Name aus Yndalamor, oder?«, sagte Tobbs, während er mit der Hand suchend an einer Dielenkante auf dem Boden entlangfuhr.
    »Nein, ich komme nicht von hier. Ich war eine Reisende und Gast in Yndalamor. Als ich noch lebte.«
    Tobbs hielt inne und drehte sich zu dem Spiegel um. »Tot? Du bist also doch ein Geist?«
    Mamsie Matata schüttelte den Kopf, legte den dicken Zeigefinger über ihre Lippen und winkte ihn heran. Erst als seine Nasenspitze fast an das Spiegelglas stieß, nahm Matata den Finger von den Lippen und beugte sich blitzschnell nach vorne. Bevor Tobbs reagieren konnte, spürte er zwei kräftige Hände, die ihn packten und ihm mit einem Ruck etwas aus dem Körper rissen, das sich wie geballter Wind anfühlte. Und dann glitt und schwebte er selbst – mitten durch den Spiegel. Die Oberfläche, die er durchstieß, war kühl wie eine Wand aus Eisluft. Matatas Welt dahinter jedoch war warm und duftete nach Gewürzen. Es war das Spiegelbild des Tempelraums, natürlich, aber dennoch waren einige Kleinigkeiten darin anders. Zum Beispiel fehlte die Statue der Göttin Kali.
    »Siehst du?«, sagte Mamsie Matata. »Noch ein Beweis: Einen Menschen hätte ich nie hinter den Spiegel ziehen können.«
    Tobbs hob die Hand und betrachtete sie – ein wolkiger, schlanker Schatten, viel dünner, als sein Arm gewesen war. Er brachte kein Wort heraus, aus seiner Kehle kam nur ein jämmerlicher Laut, ein fiepsendes Fauchen, das tatsächlich nicht sehr menschenähnlich klang.
    Matata lächelte. »Keine Sorge, Junge. Hier bist du sicher. Ich wollte nur nicht, dass die anderen Spiegel uns belauschen. Sieh hier!«
    Sie nahm Tobbs bei den Schultern und drehte ihn um. Wie durch ein Fenster blickte er nun in den Raum. Und direkt vor ihm, mit einem angespannten, konzentrierten Gesichtsausdruck, stand er selbst und starrte immer noch in den Spiegel. Das Haar hing ihm wirr in die Stirn und auf dem Kinn prangte ein Bluterguss. Tobbs griff sich reflexartig ans Kinn, fühlte jedoch nur etwas Haariges. Seine Hand zuckte zurück. Noch mehr als sein eigener, erstarrter Körper erschreckte ihn der Anblick der anderen Spiegel. In jedem davon war ein Gesicht, das zu ihm herübersah.
    »Die reden nicht mit mir«, flüsterte Matata hinter ihm. »Weil ich eine Fremde bin. Aber um mich in den Spiegel zu sperren, dafür war ich den

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