Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Einladung in die Mongolei!
Marie war beeindruckt.
Dann geht es also bald los?
Jens verkündete, damit zur Volkspolizeiinspektion Prenzlauer Berg zu gehen. Vom Ende seiner Vortragstätigkeit wollte er Marie erst später berichten.
Die Volkspolizeiinspektion Prenzlauer Berg am Senefelder Platz war beeindruckt von der Einladung, die Jens den Beamten vorlegte. Aufgrund ihrer Schulrussischkenntnisse hatten sie auch keine Zweifel an der Echtheit des Schreibens. Sie fanden allerdings, dass sie nicht zuständig seien.
Nee, da sind Sie ja Sportler! Als Bergsteiger sind Sie hier völlig falsch. Da müssen Sie zum Olympia-Stützpunkt Weißensee gehen!
Am nächsten Tag machte Jens sich auf den Weg. Er wusste nicht so recht, was jetzt passieren würde.
IM GEBÄUDE der Sportschule Weißensee roch es nach altem Linoleum. Nachdem er lange Flure durchschritten hatte, fand er die Internationale Protokoll- und Reisestelle. Das Schild an der Tür des unscheinbaren Verwaltungszimmers besagte, dass sie nur zweimal in der Woche für wenige Stunden geöffnet hatte.
Jens nahm allen Mut zusammen und betrat vorsichtig den Raum.
Die Meldestelle der Volkspolizei hat gesagt, ich müsse mich an Sie wenden, weil das eine internationale Einladung für Sportler ist.
Die Mitarbeiterin nahm die Einladung, las sie durch und sagte: So ein Ding habe ich noch nie gesehen.
Jens redete weiter, bevor die Frau zu lange ins Grübeln kam.
Soll ich Ihnen meinen Personalausweis hier lassen, oder wie läuft das?
Die Dame legte das Blatt Papier in eine Mappe und schüttelte den Kopf.
Bei uns ist das nicht so wie bei Ihrer Meldestelle, Sie kriegen hier einen Reisepass mit eingestempelten Visum. Haben Sie die Passbilder dabei?
Jens machte eine entschuldigende Geste.
Das schaffe ich aber heute nicht mehr.
Na, Donnerstag ist wieder auf.
Jens lieferte die gewünschten Passbilder pünktlich ab.
DER MANN, der in der Rykestraße beim Hauswart gewesen war, hatte auch mit den Damen der Urania gesprochen. Jetzt saß er über einem Aktenvermerk, nachdem ihm ein anderer Mitarbeiter soeben per Telefon Informationen über die beiden Konten von Jens geliefert hatte. Eines, bei der Berliner Volksbank, hatte ein Guthaben von 210 Mark, der Stand des zweiten Kontos betrug 87 Mark. Er verglich die Kontoeingänge in den zurückliegenden Jahren mit den Steuererklärungen, die Jens eingereicht hatte, und kam zu dem Ergebnis, dass Jens nur über geringe Einnahmen verfügte. Daraus ließe sich doch vielleicht ein Vorwurf konstruieren. Denn nach Ansicht des Staates gefährdete jeder, der keiner geregelten Arbeit nachging, die öffentliche Ordnung. Auf dieser Grundlage könnte man Jens’ Aufenthalt auf Berlin beschränken oder ihn sogar mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestrafen.
Dann notierte er am Schluss des Vermerkes seinen Vorschlag:
Möglich ist, das Amt für Arbeit davon in Kenntnis zu setzen und ihm die Erlaubnis für die Tätigkeit als freiberuflicher Referent zu entziehen.
Am nächsten Morgen fertigte der Mann in seinem Dienstzimmer der Bezirksverwaltung Berlin des Ministeriums für Staatssicherheit einen Fragenkatalog zur Vorbereitung auf ein direktes Gespräch mit Jens an. Es sollte noch am selben Tag stattfinden. Die Vorladung zur Klärung eines Sachverhalts hatte er schon in die Rykestraße 5 geschickt.
Der Offizier des Geheimdienstes hatte 18 Fragen vorbereitet, die er Jens eine nach der anderen vorhielt:
Sie geben als Ihre Tätigkeit »freiberuflicher Referent« an. Was genau ist darunter zu verstehen?
Bei anderer Gelegenheit hatten Sie angegeben »freischaffender Fotograf« zu sein. Wo, wann, womit sind Sie nun für wen tätig?
Welchen Charakter haben Ihre Reisen? 1983 waren Sie in Ungarn und Bulgarien. 1984 erneut in Bulgarien. 1985 in Rumänien und der Sowjetunion.1986 in der Sowjetunion. Wie bringen Sie die Mittel für die Reisen auf?
1986 hatten Sie Kontakt mit den sowjetischen Sicherheitsorganen, Sie wurden aufgegriffen. Äußern Sie sich dazu!
Am 23. Januar 1987 gestalteten Sie einen Farbdiavortrag über eine Exkursion in den Kaukasus, wie kamen Sie zu dieser Exkursion?
Welche Vorstellungen haben Sie von Ihrer weiteren beruflichen Zukunft?
Zwei BRD -Bürger weilten am vergangenen Wochenende bei Ihnen. Was war der Zweck der Reise zu Ihnen? Wie lernten Sie die BRD -Bürger kennen? Wer ist Anke …? Welches Verhältnis haben Sie zu ihr? Was ist der Verwendungszweck der bei ihr bestellten topografischen Landkarten? Was ist Ihre Gegenleistung
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