Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Umschweife nach Jens und Marie. Der Hauswart beantwortete ihm alle Fragen.
Der Mann schrieb sich die Namen und die Besuchszeiten von Anke und anderen Studenten, die bei Jens übernachtet hatten, aus dem Hausbuch ab. Er notierte, dass Jens seine Gäste erst bei der Abreise ins Hausbuch eingetragen habe. Dabei habe Jens gegrinst, berichtete der Hauswart, und frech wie Rotz bemerkt, dass ihn nun keiner eines Verstoßes gegen irgendwelche Ordnungen bezichtigen könne . Sein Sohn ergänzte, dass sich des Öfteren fünf bis sechs Personen im Alter von etwa 22 Jahren, wahrscheinlich alle aus dem Westen, in der Wohnung aufgehalten hatten .
Er notierte ferner, dass Jens morgens mit dem Fahrrad das Haus verlässt und abends spät zurückkehrt . Dass die Wohnung und auch das Äußere von Jens den Schluss zuließen, dass er finanziell nicht in gesicherten Verhältnissen lebe . Dass er seine Tätigkeit im Hausbuch neuerdings als freiberuflich eingetragen habe, aber weder der Hauswart noch dessen Sohn wussten, was genau das bedeute.
Der Hauswart antwortete nicht nur auf die Fragen, auf die er antworten musste, sondern schloss dem Besucher auch noch die Arbeitsräume von Jens im Seitenflügel auf. Dabei redete er ununterbrochen weiter über Jens, für den er nicht viel übrig hatte.
Zu mir hatter gesacht, er benöticht den Raum, um staubfrei arbeten zu können. Er sachte, er würd’ nur ein paar Sachen rinstellen und wenn ick eenen Mieter hätte, würde er die Räume sofort freijeben. Ick sach zu ihm, det is illegal. Det is rechtswidrig. Und er nu wieder: Det regel ick mit der KWV . Nüscht is passiert. Die Anjelegenheit ist bis heute nich jeregelt. Ich sach ihm, det Abschließen der Wohnungstür ist zu unterlassen. Wat machter? Baut sich’n Schloss ein. Und wat nu? Vor drei Wochen war’n Wasserschaden im Stock drüber, also muss ick det hier ufbrechen.
Erst hatter jemeint, er belegt den Raum nur mit einigen Sachen. Nu kieke, inne Küche Kohlen, en Schreibtisch, Stuhl, ne Lampe, jede Menge Stapel unjerahmte Dias. Jetzt jet er mir dauernd aus’n Weg, weiler Angst hat, ick frag ihn nach’m Mietvertrag. Aber ick schwör, det mach ick bei nächster Jelegenheit.
Fünf Seiten mit Informationen über Jens notierte sich der Besucher, dann ging er so unauffällig, wie er gekommen war.
DAS WETTER hatte sich gebessert und lockte Marie und Jens hinaus. Sie machten einen Ausflug mit ihren Fahrrädern in die Umgebung der Stadt. Am Rande des Dorfes Karow gab es einige Tümpel und Teiche, dorthin wollte Jens, denn vor einem Jahr hatte er mitgeholfen, dieses Feuchtbiotop zu retten. Gemeinsam mit seiner Umweltgruppe hatte er jede Menge Schrott und anderen Unrat aus dem Wasser gefischt, den Schilfgürtel gesäubert und die Wiesen entrümpelt.
Nun wollte er sehen, wie sich das Gelände entwickelt hatte, denn es war ein wichtiges Laichgebiet für Amphibien. In den verschmutzten Teichen waren allerdings kaum noch Frösche und Molche zu finden gewesen.
Als die beiden mit ihren Rädern dort ankamen, hörten sie schon von weitem ein lautstarkes Gequake. Es mussten Hunderte von Fröschen sein.
Jens hatte für beide Gummistiefel eingepackt. Er wusste sofort Bescheid und rief Marie zu:
Hör mal, das sind Moorfrösche! Es ist Paarungszeit!
Marie und Jens gingen vorsichtig einige Schritte durchs Schilf ins seichte Wasser hinein.
Es gibt viel mehr Männchen als Weibchen. Die Männchen springen auf alles, was sich bewegt.
Im Nu hatte Marie hellblaue Moorfroschmännchen auf ihren Gummistiefeln kleben. Nebeneinander und übereinander, von allen Seiten sprangen die Frösche auf Marie.
Ist das nicht gruselig, rief sie, jetzt haben die armen Weibchen den ganzen Winter geschlafen und dann so was.
Jens drehte sich zu ihr um: Dauert aber nur wenige Tage!
Sie füllten etwas Froschlaich in ein Wasserglas, um auf dem Fensterbrett in der Küche Kaulquappen schlüpfen zu lassen.
Als sie auf dem Rückweg an einem Spargelfeld entlangfuhren, erzählte Marie von einem Erlebnis, das sie im vergangenen Frühjahr mit ihrer Freundin Conny gehabt hatte. Da waren sie auch an einem großen Spargelfeld vorbeigekommen. Das warme Frühjahr hatte dazu beigetragen, dass sich schon die ersten Spitzen zeigten. Spargel war selten zu kriegen und obendrein teuer. So konnten die beiden der Versuchung nicht widerstehen, stellten ihre Fahrräder bei einem Haus ab und gingen zu Fuß über das Feld, um sich ein paar Stangen mitzunehmen. Hier und da leuchteten die weißen Köpfe
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