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Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Titel: Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Ceming Jürgen Werlitz
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Tempel, klafft. Was tat der Junge Jesus in seiner Kindheit, bevor wir von seinem Tempelbesuch bei Lukas erfahren?
    Das Kindheitsevangelium des Thomas erzählt Geschichten über diesen Jungen Jesus, einen Jungen, der eigentlich ist wie fast jedes Kind in seinem Alter – vorlaut, frech, trotzig, boshaft, auch naiv, neugierig, unternehmungslustig, hilfsbereit, verspielt –, dazu aber mit einer Macht ausgestattet, die ihn zu einem enfant terrible werden lässt. Da muss beispielsweise ein Kind nur deshalb sterben, weil es Jesus angerempelt hat und daraufhin von ihm verflucht wird (4,1)
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    Diese und ähnliche Geschichten können zeigen, welche abgründigen Wege der Wunderglaube bisweilen nehmen konnte. Denn christlich wird Jesus in diesen Episoden eigentlich nicht mehr dargestellt. Er ist vielmehr ein göttlicher Tausendsassa, der seine Macht allenthalben zeigt und sie nach Belieben, auch für seine eigenen, teilweise ganz und gar menschlichen Interessen einsetzt. Man spürt dabei, dass es den Geschichten gar nicht um den Christus und den Glauben an ihn geht, sondern vor allem um menschliche Wünsche, die jeder hat, ob er nun gern zaubern, auf dem Wasser laufen oder fliegen können will. Und so verwundert es nicht, dass das Jesus-Bild, das uns das Kindheitsevangelium des Thomas bietet, geradezu banal ist: Jesus, ein selbstgefälliges Götterkind, das sich als Fünf j ähriger genauso verhält wie als Achtjähriger, also auch keine Entwicklung durchmacht. Und es verwundert auch nicht, dass das Kindheitsevangelium seine nächstenParallelen eben nicht in den kanonischen Evangelien hat, sondern in Geschichten von Göttersöhnen, wie sie auch im Osten z. B. über Rama oder Krischna kursierten
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    Die Faszination an Machtdemonstrationen, wie sie das Evangelium schildert, ist wohl hauptausschlaggebend für die enorme Wirkungsgeschichte des Kindheitsevangeliums des Thomas. Es hat spätere apokryphe Kindheitsevangelien nachhaltig beeinflusst und findet sich so auch im Pseudo-Matthäusevangelium sowie in den arabischen und armenischen Kindheitsevangelien wieder. Aber es wirkt auch in anderen Geschichten über die Kindheit Jesu immer weiter, zumal es ja selbst heute noch bisweilen im Religionsunterricht Erwähnung findet und bleibenden Eindruck zu hinterlassen vermag
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D ES I SRAELITISCHEN P HILOSOPHEN T HOMAS A USFÜHRUNGEN ÜBER DIE K INDHEIT DES H ERRN
1. K APITEL
    Zur Person des Thomas siehe die Einleitung in das Thomasevangelium.
    Ich, Thomas, der Israelit, hielt es für notwendig, allen Brüdern in der Welt die Kindheit und Großtaten unseres Herrn Jesus Christus zu berichten, die er, geboren in unserem Land, vollbracht hat. So fing diese Sache an:
2. K APITEL
    (1) Als dieser Junge Jesus fünf Jahre alt war, spielte er einmal, nachdem es geregnet hatte, am Übergang eines Baches, führte die vorbei fließenden
    Wasser in Teiche zusammen und machte sie sofort klar. Allein durch das Wort erteilte er ihnen dazu den Befehl.
    (2) Aus weichem Lehm, den er sich bereitete, formte er zwölf Sperlinge. Es war aber Sabbat, als er das tat. Doch auch viele andere Kinder waren mit ihm beim Spielen.
    (3) Als ein Jude sah, was Jesus am Sabbat beim Spielen machte, ging er sofort los und beschwerte sich bei dessen Vater Josef: „Sieh nur, dein Junge ist am Bach. Aus Lehm formte er zwölf Vögel und hat damit den Sabbat entweiht.“
    Hier trifft den Jungen Jesus ein Vorwurf, der ihm in den kanonischen Evangelien die Feindschaft der Schriftgelehrten und Priesterschaft einbringt. Vgl. Nikodemusevangelium 1,1; 2,6; 4,2 und öfters.
    (4) Als nun Josef an die Stelle kam und es sah, fuhr er ihn an: „Warum tust du am Sabbat etwas Verbotenes?“ Jesus aber klatschte in die Hände und rief den Sperlingen zu: „Fort mit euch!“ Und die Sperlinge breiteten ihre Flügel aus und flogen zwitschernd davon.
    (5) Als die Juden das sahen, staunten sie. Sie gingen los und berichteten ihren Führern, was sie Jesus hatten tun sehen.
3. K APITEL
    Zum Schriftgelehrten Annas siehe Protevangelium des Jakobus 15,1.
    (1) Der Sohn des Schriftgelehrten Annas aber stand dort bei Josef und brachte mit einem Weidenzweig das Wasser, das Jesus zusammengeführt hatte, zum Abfließen.
    Mt 21,18–19
    (2) Als Jesus sah, was geschehen war, wurde er wütend und sagte zu ihm: „Du Ungerechter, Gottloser und Dummkopf, was haben dir denn die Teiche und die Wasser angetan? Siehe, jetzt wirst auch du wieein Baum verdorren und weder Blätter noch Wurzel noch Frucht tragen.“
    (3)

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