Die verbotenen Küsse des Scheichs (German Edition)
unglücklich war.“
Er runzelte die Stirn.
„Ich spüre, dass sich hier Schreckliches zugetragen hat. Es ist falsch, das totzuschweigen. Damit gibt man der Vergangenheit Macht über die Gegenwart.“
„Unsinn!“ Er drehte sich um, bereit, den Raum zu verlassen.
Sie griff nach seinem Arm, suchte seinen Blick. „Jamil, bitte! Wenn Sie wenigstens Linah zeigen könnten, wie viel sie Ihnen bedeutet.“
Ihre Bitte kam unerwartet. Zögernd wandte er sich Cassie noch einmal zu.
„Ich weiß, dass Sie sie lieben und stolz auf sie sind. Warum können Sie ihr das nicht hin und wieder sagen?“
Er entzog sich ihrer Berührung. „Wenn du den Menschen dein Herz zeigst, gibst du ihnen den Schlüssel zu deinem Königreich“, zitierte er seinen Vater. „Das hat man mir beigebracht. Und zwar so“, er bückte sich, holte die Reitgerte unter der Truhe hervor und schwang sie drohend, „dass ich diese Lektion nie vergessen werde.“
„Oh Gott!“ Cassie wurde blass. „Er hat Sie geschlagen.“
„Allerdings.“ Sein Lachen klang bitter. „Schläge sind ein fester Bestandteil der Erziehung eines Kronprinzen.“
„Aber warum? Das verstehe ich nicht.“
„Als zukünftiger Herrscher über Daar-el-Abbah musste ich lernen, Schmerzen zu ignorieren. Auch sollte ich begreifen, dass ein Prinz keine Gefühle zeigen darf. Wie sonst hätte ich den Aufgaben gerecht werden können, die auf mich warteten? Wie sonst hätte ich unbesiegbar werden können? Der Fürst dieses Landes muss mit jeder Situation allein fertig werden. Es gibt niemanden, dem er trauen kann.“
„Das ist Unsinn!“, widersprach Cassie. Ihre Augen blitzten vor Entrüstung über das, was man Jamil angetan hatte, und vor Eifer, ihm ihren Standpunkt zu vermitteln. „Sie sind zwar der Fürst, aber Sie sind kein Gott. Ganz gleich, was Ihr Vater wünschte und was Ihr Volk glaubt: Sie sind ein Mensch. Und Menschen brauchen andere Menschen. Es ist absurd, das zu leugnen. Jamil Sie sind ein Mann mit Gefühlen. Es ist nicht gut, so zu tun, als existierten diese Gefühle nicht.“
Während sie sprach, wurde ihr klar, warum Jamil sich seiner Tochter gegenüber so kühl und abweisend verhielt. Er hielt sich genau an die Anweisungen, die er von seinem Vater bekommen hatte. Er hatte seine Gefühle schon seit so langer Zeit unterdrückt, dass er vielleicht gar nicht mehr wusste, wie er sie hätte ausleben können.
Erneut wallte Zorn in ihr auf. Wie konnte ein Vater seinem Sohn so etwas antun? Und wie konnte eine Mutter das zulassen? „Wo, um Himmels willen, war Ihre Mutter, als Ihr Vater Sie hier gefangen hielt?“, entfuhr es ihr.
„Es war ihr verboten, mich zu sehen. Nur bei offiziellen Anlässen sind wir uns manchmal begegnet.“
Cassie nickte. „Das also haben Sie gemeint, als Sie sagten, Sie hätten ihre Mutter früh verloren.“
„Hm …“
„Wie alt waren Sie, als man Sie hierher brachte?“
„Fünf.“
Fassungslos starrte Cassie ihn an. „Das ist barbarisch, unmenschlich.“
„Fremde Sitten und Gebräuche erscheinen uns oft barbarisch. Aber das müssen sie keineswegs sein. Bedenken Sie, dass unsere Kultur wesentlich älter ist als die Ihre. Mein Volk …“
Seine Worte entsetzten sie so, dass sie noch blasser wurde. Er bemerkte es und unterbrach sich. Tatsächlich hatte das Gespräch ihn zutiefst aufgewühlt und verunsichert. Bis vor einer Stunde noch hatte er geglaubt, dass er seine Erinnerungen für immer fest verschlossen hatte, als er an jenem Tag die Tür zum Lebensraum seiner Kindheit hinter sich abschloss. Jahrelang hatte seine Strategie sich bewährt. Selten nur hatte er an das zurückgedacht, was er als Kind erlebt und erlitten hatte. Wenn er Trauer oder Zorn empfand, hatte er diese Gefühle als Schwäche abgetan, so wie sein Vater es ihn gelehrt hatte.
Jetzt jedoch betrachtete er seine Kindheit durch Cassies Augen. Und plötzlich stand die ganze Welt Kopf. Was man ihn damals gelehrt hatte, stellte die Grundlage seines gesamten Lebens da. Stets hatte er darauf vertraut, dass sein Vater in allem recht hatte, entsprachen dessen Lehren doch der Tradition. In vieler Hinsicht war er selbst ein moderner Mensch. Doch es gab Traditionen, an denen er nicht zu rütteln wagte. Wie also konnte eine Frau, noch dazu eine Fremde, eine Engländerin, es wagen, diese Traditionen zu verurteilen?
„Wir leben anders als die Engländer“, erklärte er. „Das war immer so, das wird immer so bleiben. Und ich finde es richtig.“
„Sie finden es richtig,
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