Die verbotenen Küsse des Scheichs (German Edition)
klebte. Vielleicht würde Jamil von ihr erwarten, dass sie sich in ihrer Rolle als englische Gouvernante wie eine Engländerin kleidete. Nun, dann würde er es ihr später sagen müssen. Fragen konnte sie ihn nicht, denn er hatte Daar wegen irgendeines Treffens mit den Wüstennomaden verlassen. Auf seine Rückkehr jedenfalls wollte sie nicht warten, ehe sie ein paar Stoffe auf dem Bazar kaufte.
Eigentlich sollte ich froh sein, dass er fort ist, dachte Cassie. Dennoch dachte sie ständig an ihn. Ja, je mehr sie sich bemühte, ihn aus ihren Gedanken zu vertreiben, desto deutlicher stand sein Bild vor ihrem inneren Auge. Manchmal war ihr, als höre sie seine Stimme. Und wenn sie nachts aus wirren Träumen erwachte, war sie so erregt, als habe Jamil sie mit Liebkosungen überhäuft.
Vergeblich hatte sie versucht, sich an Tante Sophias Vorschriften zu halten. Vergeblich hatte sie sich gesagt, dass sie bereit sein müsse, um Linahs willen, jedes Opfer zu bringen. Sie wollte nicht vernünftig sein, sie wollte sich nicht benehmen wie eine englische Dame. Sie wollte das, was sie in der Höhle mit Jamil erlebt hatte, jeden Tag erleben. Und sie war sich ziemlich sicher, dass Jamil den gleichen Wunsch hegte.
Das machte die Situation besonders unerträglich.
Es entging ihr nicht, dass Jamil sie beobachtete, wenn er glaubte, sie würde es nicht bemerken. Inzwischen wusste sie den Ausdruck seiner Augen zu deuten. Er begehrte sie. So wie sie ihn begehrte. Er brannte genauso vor Verlangen wie sie. Er litt wie sie.
Und wie sehr sie litt! Manchmal glaubte sie, die Qualen nicht länger ertragen zu können. Die Sehnsucht nach Jamil trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie hatte nur einen Wunsch: dass das Schicksal dafür sorgen möge, dass sie noch einmal – nur ein einziges Mal – allein mit Jamil sein würde. Sie würde sich nicht gegen das Schicksal auflehnen. Und Jamil gewiss auch nicht. Das Problem war, dass das Schicksal ihnen nicht gewogen schien.
Cassie zwang sich, an etwas anderes zu denken. Und tatsächlich lenkte der Besuch im Bazar sie zumindest eine Weile von ihrem Kummer ab. Doch sobald sie den Palast betrat, war alles wie zuvor. Sie war unglücklich, fühlte sich einsam und unausgefüllt.
Noch am gleichen Tag begann sie damit, die neuen Kleidungsstücke zuzuschneiden und zu nähen. Bald schon waren die ersten Teile fertig.
In der Nacht fand sie wie üblich keinen Schlaf. Eine Zeit lang schritt sie im Scheherezade-Hof auf und ab, dann jedoch beschloss sie, andere Bereiche des Palasts aufzusuchen. Sie legte ihr Nachtgewand ab und schlüpfte in eine Pluderhose aus leichtem dunkelblauem Stoff, eine Sirwal, wie Linah sie nannte. Für das dazu passende Oberteil, eine sogenannte Abaya, hatte Cassie einen hellblauen Seidenstoff gewählt. Das Gewand reichte ihr bis zu den Knien, war an den Seiten geschlitzt und wurde am Hals mit einer Reihe von kleinen Perlmutt-Knöpfen geschlossen. Das Bündchen der langen Ärmel war mit einer goldfarbenen Borte verziert. Die gleiche Borte hatte sie auch benutzt, um die Sirwal an den Fußknöcheln zubinden zu können. Ein Unterhemdchen aus hauchdünner Gaze vervollständigte ihre orientalische Garderobe.
Ohne vor den Spiegel zu treten, wusste Cassie, dass sie sich mit der Kleidung in eine exotische Schönheit verwandelt hatte, in eine Frau, die abgesehen von den goldenen Locken, nicht mehr besonders englisch wirkte. Sie trug keine Strümpfe und weder ein Schnürmieder noch Pantalettes. Sie wartete darauf, dass sich ihr Gewissen regen würde. Doch das geschah nicht. Im Gegenteil, sie empfand das Bedürfnis, ihr Haar zu lösen. Als sie es tat, kam sie sich sehr mutig vor. Zuletzt zog sie zierliche Schuhe aus weichem Ziegenleder an. Dann wandte sie sich zur Tür.
Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Körpergefühl sich zusammen mit der Kleidung so deutlich wandeln würde. Tante Sophia wäre schockiert gewesen. Nicht nur, weil sie das Schnürmieder abgelegt hatte, sondern vor allem, weil sie sich plötzlich so ungewohnt frei bewegen konnte und das auch tat. War ihre Aufmachung leichtfertig oder gar schamlos? Nein, auch wenn man es in England vielleicht so sehen würde. Hier sah sie jeden Tag, dass Linahs Dienerinnen nichts weiter trugen als die drei Kleidungsstücke, für die auch sie selbst sich entschieden hatte.
Gleich darauf verließ Cassie Linahs Wohnbereich. Die Wächter an der Tür waren zu gut geschult, um sich ihre Überraschung anmerken zu lassen. Die langen Flure lagen
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