Die verbotenen Küsse des Scheichs (German Edition)
erwähnt hatte, wie sehr ihre Schwester übertriebene Gesten liebte und aus allem ein Theaterstück machte. Neugierig trat er näher, bis er die Worte verstehen konnte.
„Für meine Cassandra, die mich endlich erhört hat“, deklamierte Cassie. Dann nahm sie eine normale Haltung ein und sagte zu der Statue: „Es wäre besser gewesen, wenn ich das nie getan hätte. Für mich sowieso, aber vielleicht auch für Augustus. Vielleicht hätte er im Augenblick der Enttäuschung bessere Verse verfasst als im Augenblick des Triumphs.“ Dann räusperte sie sich und fuhr mit veränderter Stimme fort:
„Bezaubernde Hüterin, ach, schütze mein Herz.
Es schlägt voller Liebe. Und doch droht ihm Schmerz,
wenn du mir nicht gibst, wonach ich mich verzehre.
Sag, ahnst du denn gar nicht, was ich begehre?“
Cassie begann zu lachen. „Der arme Augustus“, teilte sie dann Ra mit, „war wirklich kein begnadeter Poet. Es wundert mich nicht, dass du so gequält dreinschaust, wenn du seine Verse hörst. Leider ist das Gedicht noch nicht zu Ende.“ Wieder nahm sie eine dramatische Pose ein.
„Von deiner Schönheit bin ich gefangen.
Und sollte ich je die Freiheit erlangen,
so wird sie mir gewiss nicht gefallen.
Drum folge mir in meine Hallen,
werde meine Braut, meine Gattin allhier.
Denn, liebste Cassandra, mich zieht’s nur zu dir.“
Sie schloss mit einer tiefen Verbeugung, was, da alles an ihr so unsagbar weiblich war, ziemlich absurd wirkte. Jamil, der nicht allzu weit entfernt stand, wäre beinahe in lautes Lachen ausgebrochen. Einen Moment lang überlegte er, ob er applaudieren sollte. Doch dann wurde ihm klar, dass dies mehr als eine kleine Theateraufführung war.
„Ursprünglich hatte ich vor, all seine Gedichte noch einmal zu lesen“, erklärte Cassie der Statue. „Aber ich könnte es nicht ertragen. Und ich will es auch dir nicht zumuten. Deshalb habe ich mich entschlossen, dem allen ein Ende zu bereiten.“ Und schon begann sie, Blatt für Blatt zu zerreißen.
Jamil konnte erkennen, dass jede Seite mit der gleichen, ein wenig unordentlichen Schrift bedeckt war.
„Vertraut euch dem Wind an und fliegt“, rief Cassie und warf die Schnipsel in die Luft. „Fort mit euch, weit fort!“ Mit den Blicken folgte sie den zerrissenen Gedichten – und dann sah sie Jamil. „Oh, Sie haben mich erschreckt!“, stieß sie hervor. Um dann errötend zu fragen: „Sind Sie schon lange hier?“
„Lange genug, um herausgefunden zu haben, dass Augustus nicht nur ein verachtenswerter Mann, sondern auch ein schlechter Poet war.“
„Offen gestanden“, verkündete Cassie, „bin ich inzwischen froh, dass er mich verlassen hat. Nicht auszudenken, wie schrecklich ich mich fühlen würde, wenn ich täglich derartige poetische Ergüsse anhören müsste.“
„Eine wahrhaft niederdrückende Vorstellung!“, stimmte Jamil mit einem kleinen Lächeln zu. „Obwohl ich angenommen hätte, dass eine so romantisch veranlagte Person wie Sie es immer und überall genießen würde, Gedichte zu hören.“
Unter halb gesenkten Lidern hervor, musterte sie ihn. Fast hatte sie den Eindruck, er würde mit ihr flirten. Aber das war natürlich ganz unmöglich. „Nur, wenn es sich um gute Gedichte handelt“, sagte sie schließlich.
„Was halten Sie von diesem?“ Jamil zog sie an sich. „Shall I compare thee to a summer’s day …“, begann er.
Lachend versuchte Cassie, sich aus seiner Umarmung zu befreien. „Ich kenne meinen Shakespeare. Und nein, Sie sollen mich nicht mit einem Sommertag vergleichen.“
Er hielt sie fest. „Cassie, er hätte diese Zeilen für Sie schreiben können.“ Und dann drückte er seinen Mund auf ihren.
Was als eine Art Bühnenkuss gedacht war, diese federleichte Berührung der Lippen, wurde zu etwas ganz anderem. Verlangen loderte in Jamil auf, und aufstöhnend presste er Cassie an sich. Die Wünsche, die er Nacht für Nacht unterdrückt hatte, ließen sich plötzlich nicht mehr verleugnen. Was er tat, war falsch, und er wusste es. Aber es war zu spät. Sein Verstand war plötzlich machtlos. Seine Gefühle gewannen die Oberhand. Und der Kuss wurde immer wilder, immer drängender.
Cassie schmiegte sich an Jamil und erwiderte seine Zärtlichkeiten voller Hingabe. Sie wollte dieses Glück bis zur Neige auskosten. Denn ganz gewiss würde sie dergleichen nie wieder erleben.
Atemlos gab Jamil ihren Mund schließlich frei. „Mir fällt da noch ein anderer eurer Dichter ein.“ Seine Stimme klang heiser.
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