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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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krümmte sich erneut, als litte er unerträgliche Schmerzen. «Es ist also wahr», murmelte er. «Die Liebe besiegt selbst den Tod.» Dann richtete er sich wieder auf. «Und warum gibt es dann die Liebe so selten hier auf Erden?»
    Stine legte erstaunt den Kopf schief. «Das stimmt doch gar nicht», erklärte sie überzeugt. «Jeder liebt irgendetwas und irgendwen. Die Mutter ihre Kinder, der Mann die Frau, die Magd den Knecht, und wir alle lieben Gott so, wie er uns liebt.»
    Ihre grauen Augen strahlten, und über ihr Haar legte sich der letzte Schein der untergehenden Sonne, sodass sie wie eine Heilige wirkte.
    Der Retter nickte. «Ich habe es geahnt», murmelte er. «Aber ich habe es nicht glauben können. Gehandelt habe ich wider Gott.»
    Er kramte in der Tasche und holte eine verschlossene Kanne hervor.
    «Was macht Ihr da?», fragte Stine.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 40
    L angsam hob der Prediger den Kopf und blickte Hella und Gustelies so verzweifelt an, als stünde er vor dem Jüngsten Gericht. «Mein Bruder», sagte er leise. «Mein kleiner Bruder.»
    «Was ist mit ihm?», wollte Hella wissen.
    Einar von Beeden seufzte aus tiefstem Herzen. «Weiß Gott, wie sehr ich mir wünsche, ich hätte es verhindern können.»
    Gustelies stemmte die Fäuste in die Seiten. «So redet doch endlich, ehe es noch mehr Tote gibt.»
    «Ich habe einen jüngeren Bruder. Er war dabei, als der Vater erschlagen wurde, war dabei, als unsere Papiermühle brannte, als die Mutter geschändet wurde. Ich erinnere mich noch genau an den Morgen danach. Mein Bruder und ich saßen vor den rauchenden Trümmern unseres Elternhauses. Ich sagte zu ihm: ‹Was wir erlebt haben, das ist die Hölle auf Erden. Kein Gott würde so etwas zulassen. Schlimmer kann es nicht mehr kommen.› Und mein Bruder schaute mit leerem Blick auf die verkohlten Balken des Hauses und schüttelte den Kopf. ‹Du hast recht, das Leben ist kein Geschenk Gottes, es ist die schlimmste aller Strafen.›»
    Der Prediger hielt inne.
    «Und dann?», wollte Hella wissen. «Was geschah dann?»
    Der Prediger zuckte mit den Schultern. «Kurze Zeit später meldeten wir uns als Landsknechte für den Krieg. Was hätten wir auch sonst tun sollen? Wir hatten ja nichts mehr, keine Arbeit, keine Bleibe, keine Zukunft. Und in der Hölle wähnten wir uns überdies. Gemeinsam gingen wir zu den Werbern. Auf dem Weg dorthin blieb mein Bruder stehen. Er nahm ein Messer aus seinem Stiefelschaft und ritzte sich damit in den Zeigefinger der rechten Hand. Dann verlangte er von mir, dasselbe zu tun. ‹Wir sind nicht mehr die Söhne des Papiermüllers aus Mühlhausen›, erklärte er. ‹Wir sind von heute ab die beiden Seiten ein- und derselben Sache. Einar von Beeden und Alter von Beeden. Unsere Aufgabe ist es, den Menschen zu erzählen, dass die Erde die Hölle ist. Und der Krieg das heißeste Höllenfeuer.› Ich erkannte, dass es ihm bitterer Ernst war. Und weil es ihm so wichtig war, da schnitt auch ich mir in den Finger, ließ sein Blut in meines fließen und gelobte, fortan den Namen ‹Einar von Beeden› zu tragen.»
    Wieder schaute der Prediger auf Hella und Gustelies, und in seinem Blick lag die Erkenntnis einer tiefen Schuld.
    «Wir haben uns verloren. Im Krieg, kurz vor Wien. Ich dachte, er wäre tot, und – bei Gott – ich glaubte sogar, dass es für ihn besser so wäre.»
    Hella schüttelte verständnislos den Kopf. «Und Ihr wusstet nicht, dass Euer Bruder in der Stadt ist?»
    Einar von Beeden blickte zu Boden. «Ist das wichtig? Hätte es irgendetwas geändert?», fragte er.
    Gustelies stampfte wütend mit dem Fuß auf. «Ja. Das hätte es. Vielleicht wären die toten Frauen jetzt noch am Leben.»
    Hella legte ihrer Mutter beschwichtigend eine Hand auf den Arm, dann wandte sie sich an Einar von Beeden. «Ihr wisst nicht zufällig, wo er jetzt ist, Euer Bruder?»
    Der Prediger schüttelte den Kopf, und dann verbarg er sein Gesicht in den Händen und brach in Tränen aus.
    Hella machte ihrer Mutter ein Zeichen, dass es nun an der Zeit wäre, aufzubrechen, doch eine Frage hatte Gustelies noch. «Was könnte es damit auf sich haben, dass die toten Frauen Aschenzeichen auf der Stirn trugen und eine Rose in der Hand hielten?», wollte sie wissen.
    Einar von Beeden schniefte, dann wischte er sich mit dem Jackenärmel die feuchten Wangen trocken.
    «Die Rose. Ja. Es war die Lieblingsblume unserer Mutter. Mein Vater brachte ihr Rosen mit, sooft er konnte. Für meine Mutter waren

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