Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
ihn in die Seite. «Heute Mittag habe ich euch beide noch zusammen vor dem Römer gesehen, als ihr den Prediger vertreten habt.»
Pater Nau hob die Hände. «Bruder Göck ist schließlich ein Mönch. Und als solcher hat er Armut, Keuschheit und Gehorsam gelobt. Kann doch sein, dass er sich plötzlich auf seine Gelübde besonnen hat.»
«Der?» Gustelies prustete. «Nie im Leben. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr. So steht das schon in der Bibel. Also, Pater, wo steckt der Mönch?»
«Wr hhbnnne sn stitten», erwiderte der Pater.
«Wie bitte? Was sagst du da?»
«Wir haben uns gestritten», wiederholte Nau. «So, nun wisst ihr es.»
Er wartete auf weitere Fragen, doch niemand reagierte.
«Ach so», war alles, was Gustelies dazu sagte.
Heinz Blettner griff nach der Weinkanne, schaute zufrieden hinein und erklärte: «So ein Streit hat manchmal auch sein Gutes.»
Gustelies ließ sich am Tisch nieder, packte die schwere Fleischgabel und verteilte das Essen. Die Brenten würde es zum Nachtisch geben. Dann erklärte sie mit vollem Mund: «Die vier toten Frauen hatten ihre Männer im Krieg. Das habe ich heute herausgefunden. Nun müssen wir nur noch jemanden greifen, der sich gegen den Krieg ausspricht.» Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, wurde ihr Blick starr, als wäre gerade eben eine Erkenntnis über sie gekommen. Sie hielt den Löffel in die Luft und blickte auf ihren Teller, als stünde dort eine Antwort, auf die sie schon lange gewartet hatte.
Dann, nach einer ganzen Weile, fragte sie mit beinahe geflüsterter Stimme: «Wie heißt noch einmal der Prediger?»
Blettner lehnte sich zurück und tupfte sich mit dem Mundtuch die Lippen sauber. «Einar von Beeden heißt er. Aber der Fall ist gelöst. Krafft von Elckershausen hat es so bestimmt. Seit der Prediger im Verlies ist, hat es keine Morde mehr gegeben. Morgen früh soll gleich der Henker kommen und mit der hochnotpeinlichen Befragung beginnen. Ich denke, gegen Mittag wird der Mann gestehen.»
«Du wirkst sehr zufrieden und scheinst dir deiner Sache sicher zu sein», stellte Jutta Hinterer fest.
Blettner biss sich auf die Unterlippe. «Ich glaube, der Schultheiß hatte recht mit seinem Verdacht. Und Gustelies’ Erkenntnisse scheinen das noch zu bestätigen. Der Prediger hat Unruhe in die Stadt gebracht. Seit er da ist, wird hier gemordet. Kaum sitzt er hinter Schloss und Riegel, hört das Morden auf. Gibt es dafür vielleicht eine andere, schlüssige Erklärung?»
«Warum hat er das getan?» Hella blickte ihren Mann fragend an. «Er muss doch einen Grund gehabt haben, die Frauen zu töten.» Hella stieß ihre Mutter leicht an. «Was sagst du denn dazu?»
Gustelies stocherte mit dem Löffel in ihrem Essen herum. Sie schien noch immer ganz in Gedanken versunken. Schließlich sprach sie, wie zu sich selbst: «Worum geht es hier eigentlich? Geht es um den Krieg? Um die Hölle? Das sind die Fragen, die wir klären müssen. Alles hängt mit allem zusammen. Wenn wir wissen, was und wie, dann wissen wir auch, durch wen und warum in Frankfurt vier Frauen zu Tode gekommen sind.»
«Heißt das, du glaubst nicht, dass es der Prediger Einar von Beeden war?» Heinz prustete. «Dann möchte ich zu gern hören, wie du das dem Schultheißen beibringst.»
«Es geht um das Ganze», widersprach Gustelies. «Es geht um alles oder nichts.» Mit einem Knall warf sie den Löffel auf den Tisch und sprang auf.
«Was ist denn jetzt schon wieder los?», fragte der Pater.
«Ich muss weg», erklärte Gustelies knapp. Sie sah sich um, als suche sie etwas. Dann deutete sie mit dem Finger auf Hella. «Es wäre gut, wenn du mit mir kämst.»
Hella nickte und erhob sich.
«Wo wollt ihr beide hin?», verlangte der Richter zu wissen.
«Später!», beschied ihm Gustelies. «Später erkläre ich alles. Aber jetzt muss ich etwas überprüfen.»
Sie packte Hella beim Arm und zog sie mit sich aus der Tür.
«Was steckt hinter den Morden? Die Hölle? Der Krieg? Und was eigentlich ist genau die Hölle? Der Ort, an dem es keinen Glauben gibt?», fragte nun auch Jutta, die ein wenig beleidigt ihre Freundin Gustelies hatte ziehen lassen müssen.
Der Pater wurde blass. «Frankfurt ist ganz gewiss nicht der Ort, wo es an Glaubensdingen mangelt. Du malst den Teufel an die Wand. Genau, wie der Prediger es getan hat. Seine Worte erst haben alles ins Rollen gebracht.»
«Du sprichst wie einer, der nie ohne Hoffnung ist», bemängelte Jutta. «Was ist denn, wenn einer den Glauben
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