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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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verliert? Was hat er dann noch? Ist es nicht so, dass der Verlust des Glaubens allein schon der Hölle gleicht? Und müssen wir demnach nicht nach einem suchen, der seinen Glauben verloren hat?»
    Pater Nau breitete die Arme aus. «Wie willst du das anstellen? Wie findet man einen, der seinen Glauben verloren hat?»
    Blettners Gesicht wirkte mit einem Schlag ungeheuer angespannt.
    «Was ist?», wollte Jutta wissen.
    «Mir kommt da gerade so ein Gedanke. Ich weiß aber nicht, ob er einfach unsagbar dumm und oder wirklich bemerkenswert ist.»
    «Nun rede schon.»
    Blettner holte Luft, dann sagte er: «Wenn ein Mörder seine Leichen auf einem Friedhof versteckt, wo versteckt dann ein vom Glauben Abgefallener sich selbst?»
    «Hä?» Pater Nau legte eine Hand hinter das Ohr und schüttelte den Kopf. «Das verstehe ich nicht. Das ist mir wirklich zu hoch.»
    Jutta aber riss die Augen auf und nickte. «Natürlich!», sagte sie und schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. «Natürlich. Einer, der vom Glauben abgefallen ist, der versteckt sich mitten unter den Gläubigen.»
     
    «Wohin gehen wir eigentlich?», wollte Hella wissen, als sie mit ihrer Mutter durch die abendlich stillen Gassen der Stadt hetzte.
    «Zum Verlies gehen wir.»
    «Und was genau wollen wir da?» Hella blieb stehen.
    «Komm doch, wir müssen uns beeilen», mahnte Gustelies, aber Hella blieb störrisch.
    «Erst will ich wissen, was du vorhast.»
    Gustelies seufzte. «Der Prediger spricht davon, dass die Erde eigentlich die Hölle ist, nicht wahr?»
    Hella bejahte.
    «Und unser kleiner Tintennovize hat sogar behauptet, Gott wäre ein Mörder.»
    «Wirklich?» Hella riss die Augen auf. «Ich habe nichts davon gehört.»
    «Na ja, so ganz direkt hat er das nicht gesagt, aber er hat es angedeutet.»
    Sie reckte das Kinn. «Ist dir auch aufgefallen, dass unser kleiner Alter dem Prediger ähnlich sieht?»
    Hella zuckte mit den Schultern. «Nun, sie sind beide recht ansehnlich. Und die schwarzen Augen. Ja, es könnte sein, dass sie sich ähnlich sehen.»
    «Und da ist noch etwas», sagte Gustelies geheimnisvoll.
    «Was denn?», wollte Hella wissen.
    «Die Namen. Der Prediger nennt sich Einar von Beeden. Der Novize gibt vor, Alter zu heißen.»
    «Ja, und?»
    «Einar von Beeden. So reden die Leute im Thüringischen. Einer von Beiden. Verstehst du?»
    Hella schüttelte den Kopf. «Nein. Ich verstehe dich nicht. Nicht im Geringsten.»
    Gustelies seufzte. «Wenn es Einen von Beiden gibt, dann muss es noch den anderen geben.»
    Hella runzelte die Stirn. «Du meinst, Zweite von Beeden oder Zweier von Beeden oder Andere von Beeden?» Sie blickte ihre Mutter zweifelnd an.
    «Genau das meine ich. Und weißt du auch, was das lateinische ‹Alter› bedeutet?»
    «Ich hatte nur ganz kurz Lateinunterricht bei den Karmeliterinnen.»
    Gustelies seufzte. «Nun, ich lebe schon so lange mit einem Pater zusammen, dass ich einige Worte kenne. Und ‹Alter›, mein liebes Kind, heißt auf Deutsch ‹der Andere›.»
    «Findest du nicht, dass deine Gedanken ein bisschen weit hergeholt sind?» Hella zog die Augenbrauen zusammen und betrachtete ihre Mutter, als wäre sie ein seltenes Insekt.
    «Es liegt nicht gerade auf der Hand», gab Gustelies zu, «aber weder der Prediger noch der Novize sind dumm. Wir sollten es wenigstens überprüfen.»
    Sie packte Hella erneut beim Arm und zog sie weiter zum Verlies.
    Dort angekommen, verlangte sie mit Donnerstimme, den Prediger zu sprechen, sodass der schläfrige Wärter Gustelies’ Wünschen auf Anhieb und ohne Nachfrage folgte. Er drückte Gustelies eine rußige Pechfackel in die Hand und zeigte ihr den Weg in die Keller.
    Der Prediger schien schon geschlafen zu haben. Aber Gustelies’ Redeschwall wirkte auf ihn wie ein Eimer kaltes Wasser.
    «Habt Ihr einen Bruder?», fragte Gustelies auf der Stelle und wartete nicht einmal, bis sich der Prediger die Augen gerieben hatte. «Einar von Beeden. Das ist kein Name. So heißt niemand. Also: Habt Ihr einen Bruder, einen Vetter, einen guten Freund?»
    Der Prediger lächelte ein wenig. «Ich habe zwei Brüder, Vetter, die ich gar nicht alle kenne, und jede Menge Freunde. Wonach fragt Ihr genau?»
    «Ist Einar von Beeden Euer richtiger Name?», wollte Gustelies sofort weiter wissen, ohne auf die Frage des Predigers einzugehen.
    Der schüttelte den Kopf. «Nein, natürlich nicht. Die wenigsten Prediger tragen die Namen, auf die sie getauft wurden.»
    «Aha. Und warum habt Ihr Euch dann

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