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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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ausgerechnet diesen Namen gegeben?»
    Der Prediger lächelte. «Weil jedes Ding zwei Seiten hat. Ich bin die eine von beiden.»
    «Und wer ist die andere?» Gustelies ließ nicht locker. «Sagt schon, wer ist der andere?»
    Mit einem Schlag verdüsterte sich das Antlitz des Predigers. Nachdenklich strich er sich über die Stirn.
    «Sagt, was Ihr wisst, ehe noch mehr Schaden angerichtet wird.»
    Der Prediger setzte sich auf einen dreibeinigen Schemel und schlug die Hände vor das Gesicht. «Ich hätte es wissen müssen», murmelte er. «Mein Gott, wie habe ich nur so blind sein können.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 39
    W ofür braucht Ihr sie denn, die Kerzen? Ich meine, heute Abend noch. Sie sind Euch doch nicht plötzlich und auf einen Schlag alle miteinander ausgegangen?» Das Mädchen Stine sah ohne Arg auf den Retter.
    Der blieb stehen, mit einem Mal unschlüssig. Er sah in ihr offenes Gesicht mit den grauen Augen.
    «Deine Augen sind geschwollen. Hast du geweint?», fragte der Retter, ohne auf Stine einzugehen.
    Das Mädchen nickte.
    «Warum hast du geweint? Hat dich der Vater geschlagen? Die Mutter gescholten?»
    Stine schluckte. «Nein, die Eltern schlagen und schelten nicht. Aber mein Liebster, er ist gegangen, ist in den Krieg gezogen. Und seither fühle ich mich, als wäre ich nur halb.»
    Der Retter zuckte mit den Schultern. «Du bist jung, du bist schön. Es gibt noch andere Männer.»
    Empört blickte Stine ihn an. «Wie könnt Ihr so etwas sagen? Wir lieben uns. Schon seit Kindertagen. Wir gehören zusammen. Und wenn das nicht geht …» Sie schluchzte auf. «… dann will ich auch keinen anderen Mann.»
    Der Retter verstummte und presste eine Hand auf sein Herz, das so wild schlug, als wolle es ihm durch die Rippen brechen. «Keinen anderen Mann?», fragte er. «Aber alle halten es so. Ist der eine nicht mehr da, so kommt der nächste. Das Leben ist zu kurz, um zu trauern.»
    Stine blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Ihre Augen blitzten, die Wangen zeigten einen Pfirsichhauch. «Für andere mag anderes gelten. Aber ich werde nur einen Mann lieben. Er war schon einmal fort, war auf Wanderschaft als Geselle. Zwei Jahre ist er in der Welt umhergezogen. Und ich habe gewartet. Natürlich habe ich gewartet, denn Justus und ich, wir gehören zusammen. Ein Leben ohne ihn wäre nicht mehr mein Leben.»
    Der Retter betrachtete das Mädchen, als hätte er noch nie eines gesehen. «Wo hast du das gelernt?», fragte er.
    «Was denn?»
    «Die Liebe. Wo hast du die Liebe gelernt?»
    Das Mädchen blickte nach unten, holte tief Luft, blickte den Retter an. «Ich weiß nicht, was Ihr meint», gab Stine schließlich zu.
    Der Retter nickte. «Ich dachte mir das schon. Trotzdem möchte ich zu gern wissen, wo du die Liebe gelernt hast? Von deiner Mutter?»
    Stine schüttelte verständnislos den Kopf. Dann hob sie die Hand, lächelte zaghaft und berührte den Retter am Ärmel. «Ich glaube», sagte sie langsam und so, als müsste sie jedes Wort genau abwägen. «Ich glaube, die Liebe sitzt drinnen in der Seele. Sie ist einfach da, versteht Ihr? Da gibt es nichts zu lernen. Lieben ist wie atmen. Es geschieht, ohne dass wir Einfluss darauf haben. Die Mutter sagt, die Liebe wäre ein Geschenk Gottes, das wir hüten müssen. Und deshalb hat der Prediger vor dem Römer auch unrecht. Das hier ist nicht die Hölle, denn in der Hölle gibt es keine Liebe.»
    Die Worte waren so einfach und schlicht und von einer solchen Überzeugungskraft, dass sich der Retter darunter krümmte. Er wusste, dass Stine recht hatte. Das, was sie sagte, war in Stein gemeißelt, und jeder, der wollte, konnte die Schrift lesen.
    «Stimmt es, was man sagt?», fragte er leise und so eindringlich, dass das Mädchen einen Schritt zurückwich. «Stimmt es, dass die Liebe selbst den Tod besiegt?»
    Das Mädchen schaute ihn an, als hätte er die dümmste aller Fragen gestellt.
    «Natürlich!», erwiderte sie. «Die Liebe, die kommt doch aus der Seele. Und die Seele ist unsterblich.» Sie presste eine Hand auf ihr Herz. «Da drinnen, da steht der Name meines Liebsten geschrieben. Justus. Nichts und niemand kann den Namen auslöschen. Ob er lebt oder stirbt, er ist immer bei mir.» Ihre Augen verdunkelten sich. «Natürlich ist es mir lieber, wenn er lebt, denn dann kann ich mit ihm zusammen sein. Aber die Zeit auf der Erde ist ohnedies begrenzt. Stirbt er, so werde ich für uns beide leben, bis wir uns in der Ewigkeit wiederfinden.»
    Der Retter

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