Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
Gebäckstück in den Mund. «Warum hat der Novize all diese Dinge getan? Warum ausgerechnet hier in Frankfurt?»
Richter Blettner erwiderte: «Wir hätten schon früher darauf kommen können, aber außer Gustelies waren wir alle zu vernagelt. Außerdem galt es ja, in erster Linie den Ratsschatz zu finden. Es stellte sich heraus, dass der Kämmerer dahintersteckte. Mein lieber Schreiber verriet ihm nämlich, dass der Schultheiß ihm nicht mehr traute, ihn in seinen Aufgaben beschneiden wollte und mich zum Prüfen des Ratsschatzes abgestellt hatte. Tja, und da hat der Kämmerer noch ganz schnell einen Teil des Schatzes zum Aufpolieren in eine Silberschmiede gegeben!»
«Und dir natürlich nichts davon gesagt, und dem Schultheißen auch nicht.» Hella nickte.
«Weil er genau wusste, dass von Elckershausen darüber schier wahnsinnig werden würde und ich eine Menge Scherereien hätte. So wollte er Vergeltung üben. Na, einen neuen Schreiber werde ich jetzt auch brauchen.» Blettner atmete tief durch.
«Und wer hätte ahnen können, dass der Löffel aus dem Mehlsack und der bei der toten Elfrun gefundene Silberbecher gar nicht aus dem Ratsschatz, sondern aus dem Elternhause von Alter stammten? Ich für meinen Teil habe das nicht gesehen, und der Schreiber hat ja nur den Löffel erblickt und wollte gleich Bescheid wissen!» Der Richter räusperte sich verlegen. «R und F hießen in dem Fall nicht Reichsstadt Frankfurt, sondern das waren die Initialen von Alters Mutter, Ragnhild Fürst, und das Wappen war nicht das der Stadt Frankfurt, sondern das Papiersignet der Papiermühle, welche Ragnhild in die Ehe gebracht hatte. Nun. Also. Dieser Schreiber, der sieht das Rathaus so schnell nicht wieder von innen.» Dann senkte er schnell den Blick, damit niemand in der Runde bemerkte, dass die Scham ihm die Wangen rot färbte.
Jutta Hinterer schüttelte den Kopf. «Es ist so schwer zu verstehen, dass gleich zwei Söhne einer Familie über dem Krieg verrückt geworden sind. Einar von Beeden und sein Bruder Alter von Beeden. Hießen die eigentlich wirklich so?»
Bruder Göck schüttelte den Kopf. «In Wirklichkeit hießen die beiden einfach nur Müller. Peter und Paul Müller.»
«Nun wollen wir nur hoffen, dass der Prediger bald über den Tod seines jüngeren Bruders hinwegkommt. Aus dem Verlies hast du ihn ja schon geholt, oder nicht?», wollte Gustelies wissen.
Blettner nickte. «Ja, das habe ich. Ihn und sein Weib Mona. Sogar eine kleine Entschädigung habe ich aus der Stadtkasse für die beiden bekommen können. Aber ob die etwas nützt? Es mangelt dem Prediger ja nicht an Geld, es sind Glaube und Hoffnung, die ihm fehlen.»
«Ja», bestätigte Gustelies. «Glaube, Liebe und Hoffnung. Ohne diese drei geht im Leben gar nichts.»
«Eines wüsste ich aber doch zu gern», warf Hella ein. «Woher wusste der Novize eigentlich von den Frauen, die ihre Männer oder Liebsten im Kriege hatten? Kann mir das jemand verraten?»
Blettner riss überrascht die Augen auf. «Diese Frage stellt sich wohl zu Recht.»
Pater Nau und Bruder Göck schüttelten die Köpfe im Takt, und Gustelies runzelte die Stirn. «Ja, woher hat er das gewusst?»
Nur Jutta Hinterer wurde ein wenig blass. «Mutter Dollhaus», flüsterte sie. «Einmal sah ich ihn mit Mutter Dollhaus sprechen. Sie deutete dabei auf die Elfrun. Ich dachte mir nichts dabei, aber im Nachhinein ergibt das einen Sinn.»
«Dieses klatschsüchtige Luder!», erregte sich der Pater. «Dieses Mal kommt sie mir nicht mit zehn Ave-Maria, zehn Vaterunser und einer kalten Waschung davon.»
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Über Ines Thorn
Ines Thorn wurde 1964 in Leipzig geboren. Nach einer Lehre als Buchhändlerin studierte sie Germanistik, Slawistik und Kulturphilosophie. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.
Weitere Veröffentlichungen:
Die Pelzhändlerin
Die Silberschmiedin
Die Wunderheilerin
Unter dem Teebaum
Saga um die Frankfurter Kaufmannsdynastie Geisenheimer:
Die Kaufmannstochter
Die Tochter des Buchdruckers
Die Kaufherrin
Die Verbrechen von Frankfurt:
Galgentochter
Höllenknecht
Totenreich
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Über dieses Buch
Wenn die Gräber sich auftun, ist die Hölle nah.
Ein mysteriöser Prediger schlägt die Bürger Frankfurts mit dunklen Reden in seinen Bann. Besorgt sieht die Richterswitwe Gustelies, wie sogar ihre Freundin Jutta zu einer Jüngerin des glutäugigen Fremden wird. Als plötzlich in der Stadt Tote auftauchen – in offenen
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