Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
wieder, oder? Ich wette, er ist nur schnell zu einer Garküche gelaufen.»
«Woher weißt du das schon wieder?»
Gustelies seufzte und machte eine Handbewegung, die die ganze Küche umschloss. «Ihr habt versucht, euch etwas zum Essen zu machen. Es ist euch nicht gelungen. Ihr habt noch immer Hunger. Als ich über den Liebfrauenberg kam, habt ihr euch in einer Nische verborgen. Jedes Kind könnte erraten, wo der Antoniter gerade steckt.»
Der Pater biss sich auf seine Unterlippe. Vorsichtig streckte er seine Hand aus und legte sie ängstlich auf die seiner Schwester. «Ich hatte Angst, dass du mich verlässt», gestand er. «Weißt du, ich brauche dich hier nämlich. Wenn du nicht da bist, dann scheint die Sonne nicht halb so hell.»
Die Worte kamen leise und ein wenig rau, und Gustelies verschlug es die Sprache. Sie blickte ihren Bruder an, als habe sie ihn noch nie zuvor gesehen. Tränen der Rührung stiegen in ihr auf, und sie musste heftig zwinkern, damit sie nicht über ihre Wangen rollten.
«Danke», flüsterte sie ebenso leise und rau zurück. «Das habe ich gebraucht. Das musste ich einmal hören.»
Sie sahen sich gerührt in die Augen, doch da sie es beide nicht gewohnt waren, mit ihren Gefühlen hausieren zu gehen, drohte der Augenblick peinlich zu werden.
Zum Glück kam gerade Bruder Göck durch die Tür gestürzt, in der Hand drei Pasteten. «Schnell, schnell, holt die Teller her, die Dinger sind heiß», rief er, und schon sprang Gustelies auf und brachte die Teller auf den Tisch.
Bruder Göck beugte sich während des Essens immer wieder einmal nach vorn und fragte: «Schmeckt es Euch auch, Gustelies?»
Gustelies nickte kauend. «Ja, noch genauso gut wie vor einer Minute», erwiderte sie mit vollem Mund. Als sie fertig war, strahlte sie den Antoniter an und strich ihm sogar kurz über die Glatze. «Vielleicht seid Ihr ja doch ein netter Mann, Antoniter», stellte sie fest.
«Ihr seid jedenfalls ein fabelhaftes Frauenzimmer», erklärte Bruder Göck mit hochrotem Kopf. «Und wenn ich nicht gerade ein Mönch geworden wäre, wer weiß, Gustelies, wer weiß …»
Gustelies kniff dem Antoniter in die feisten Wangen. «Gott sei Dank seid Ihr aber ein Mönch, mein Lieber. Und jetzt», sie sah zwischen dem Pater und Bruder Göck hin und her, «räumt Ihr mir die Küche hier auf. Und wehe, ich finde nachher doch einen Dreckfleck.»
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Kapitel 12
R ichter Blettner stand am Fenster und sah hinab auf den Römer. Dort unten hatte sich schon wieder eine ziemlich große Menschenmenge versammelt. Der neue Prediger würde pünktlich mit dem Angelusläuten zu den Menschen sprechen.
Heimlich fragte sich der Richter, wann der Schultheiß Krafft von Elckershausen diesem Treiben da unten ein Ende machen würde. Was in den letzten Tagen hier in der Stadt geschehen war, das ging, wenn man Blettner fragte, auf keine Kuhhaut.
Insbesondere die letzte Nacht war schlimm gewesen. Schon als er sich auf den Heimweg begeben hatte, waren die Straßen so voller Menschen wie sonst nur zu Zeiten der Messe. Aus allen Schänken drangen Lärm und Gesang. Weiber kreischten, Männer warfen ihre Mützen in die Luft, holten sich die Frauen auf den Schoß. Durch das Fenster des Roten Ochsen hatte er gesehen, wie zwei Fischer dem Schankmädchen mitten in der Wirtschaft die Röcke gehoben hatten, sodass der blanke Hintern wie ein kleiner Mond strahlte. Gejohle und Geklatsche folgten, und das Schankmädchen lachte dabei, während der Wirt des Roten Ochsen lächelnd am Zapfhahn stand. Die Huren aus dem Frauenhaus durchstreiften untergehakt die Stadt und sprachen die Männer offen und so direkt an, dass Blettner die Röte in seine Wangen schießen spürte. Lehrjungen saßen auf den Mauern und riefen den Milchmädchen anzügliche Scherze zu. Musikanten zogen spielend und singend durch die Straßen.
Ist denn alle Welt verrückt geworden?, überlegte Blettner, doch mit einem Schlag spürte auch er eine so unbändige Lebenslust, dass er ebenfalls am liebsten eines der Mädchen bei den Hüften gepackt und herumgewirbelt hätte. Hitze loderte durch seinen Leib, und Blettner riss an seinem Wams, um sich Luft zu verschaffen. Seine Kehle war so trocken, als hätte er seit Tagen nichts getrunken. Er stürzte zu einem Brunnen, auf dessen Rand ein paar Mädchen saßen und freche Lieder sangen. Mit letzter Kraft riss er den Eimer nach oben und trank, trank, trank.
«Na, guter Mann, ist Euch auch die Hitze in die Lenden
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