Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
noch schlechter bestellt ist als um Frankfurt.»
Einar von Beeden lächelte wieder, dieses Mal aber ohne eine Spur von Überheblichkeit, sondern vielmehr belustigt. «Glaubt mir, Richter, der Mensch ist überall gleich. Und überall herrscht die Hölle. Aber wenn Ihr unbedingt Ortsnamen braucht, so sollt Ihr sie haben. Ich bin aus dem Thüringischen, genauer aus der Stadt Mühlhausen. Ihr habt sicher schon von Mühlhausen gehört und kennt sicher auch die Geschichten um Thomas Müntzer.»
«Müntzer? Müntzer? Meint Ihr etwa DEN Thomas Müntzer?» Blettner verzog vor Widerwillen den Mund. «Den evangelischen Pfarrer, der die Bauern zu Aufständen aufgewiegelt hat und der eine Gesellschaft einrichten wollte, in der alle Menschen gleich sind? Meint Ihr den etwa? Den Lutherfreund?»
Einar von Beeden nickte. «Mein Vater gehörte zu den Aufständischen. Auch er wollte, dass die Privilegien der Geistlichkeit aufgehoben und die Klöster aufgelöst werden. Und er war für die Abschaffung der städtischen Ständeordnung.»
Blettner musste sich Mühe geben, seinen Mund vor Abscheu nicht noch weiter zu verziehen. Was der Prediger da von sich gab, das war beinahe schlimmer als die Behauptung, die Erde sei in Frevlerhand. Der schien ja geradezu aus einer Rebellenhochburg zu kommen. Am Ende wollte er das Müntzer’sche Gedankengut nach Frankfurt tragen. Das war nichts, was die Stadt derzeit brauchen konnte. Und Blettner schon gar nicht.
«Seid Ihr denn ein Anhänger Luthers?», fragte er freundlich. «Verbreitet Ihr seine Lehren und Worte? Hängt Ihr dem lutherischen Glauben an?»
Wenn das so war, dann musste der Mann schnellstens hier weg. Blettner wusste nur noch nicht, wie er das anstellen sollte, denn Einar von Beeden hatte gegen kein geltendes Recht verstoßen.
«Nein!» Der Prediger schüttelte den Kopf und hob abwehrend die Hände. «Ich bin kein Anhänger des Wittenbergers. Dazu habe ich viel zu viel erlebt. Es gibt die Erde nicht, es gibt nur Himmel und Hölle. Und wir sind in der Hölle. Luther selbst hat den Teufel gesehen. Er ist ihm auf der Wartburg erschienen, und Luther hat ein Tintenfass nach ihm geworfen.»
Richter Blettner winkte ab. «Die Geschichte kenne ich. Alle Welt erzählt sie sich. Außerdem ist es Jahre her, seit der Luther auf der Wartburg gehockt hat. Jetzt ist er verheiratet. Als Mönch!» Blettner reckte empört den Zeigefinger in die Höhe.
Der Prediger legte den Kopf leicht schief. «Ich habe nichts mit Luther zu tun.»
«Mit wem habt Ihr es dann zu tun?», wollte Blettner jetzt wissen.
Einar von Beeden zuckte mit den Schultern. «Mit dem Teufel, mit der Hölle. Seht Euch doch um! Ihr seid ein kluger Mann. Es kann Euch doch nicht verborgen geblieben sein, dass die Zeichen aus der Offenbarung allesamt am Himmel stehen.»
Blettner ging auf diese Bemerkung nicht ein. «Wo wart Ihr, nachdem Ihr aus Thüringen weggegangen seid? Wart Ihr auf Gesellenwanderschaft? Habt Ihr ein Handwerk gelernt?»
Einar von Beeden nickte. «Papiermacher bin ich. Wie der Vater.»
«Papiermacher. Soso. Wo habt Ihr Euer Handwerk ausgeübt?»
«Pah!» Einar von Beeden schnaubte. «Gar nicht. Ich habe es niemals ausgeübt. Die Papiermühle meines Vaters brannte nieder. Damals, als es die Aufstände gab. Wo sollte ich da Papier herstellen? Weg bin ich, den Werbern auf den Leim gegangen. Schneller, als ich denken konnte, lag ich vor Wien, um gegen die Türken zu kämpfen. Dort habe ich erfahren, dass die Erde in Wahrheit die Hölle ist. Wart Ihr vor Wien? Habt Ihr, Richter, jemals in einer Schlacht gekämpft?»
«Äh, nein.» Richter Blettner strich sich über das Kinn. «Aber es geht hier und jetzt auch nicht um mich, sondern um Euch, guter Mann.»
Der Prediger sprang auf, und das derbe Weib an seiner Seite knurrte wie ein tollwütiger Hund. «Begreift Ihr nicht, Richter? Die Erde ist in Frevlerhand. Ihr solltet aufstehen und die Liebe unter den Menschen predigen. Denn nur durch die Liebe ist die Erde noch zu retten. Getilgt werden muss das Leid, welches die Türken nach Wien brachten! Ihr wart nicht dort, habt keine Ahnung, dass Menschen zu Tieren werden können. Wartet einen Augenblick!»
Er kramte in dem Beutel aus Rindshaut, den er über der Schulter getragen hatte und der nun auf dem Boden lag. Nach einer kleinen Weile brachte er ein geheftetes Büchlein aus grauem, grobkörnigem Papier zutage.
«Wartet, ich will Euch vorlesen, was der Reichshofrat Peter Stern von Labach geschrieben hat:
‹Welche
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