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Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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gefahren?», wollte ein grobschlächtiger Mann mit rotem Halstuch von ihm wissen. «Der Sommer hat es in diesem Jahr ganz schön in sich.» Er lachte, packte eines der Mädchen, fuhr mit seiner Hand in deren Mieder und küsste sie laut schmatzend auf den Mund.
    Blettner schüttelte sich und machte, dass er nach Hause kam, doch noch vor dem Einschlafen überlegte er, was, um des Herrn willen, denn plötzlich über die Stadt gekommen war. Sollte er mit dem Schultheißen über den plötzlichen Verfall der Sitten sprechen?
    Immerhin stand das jährliche Hirschessen vor der Tür, bei dem auch Vertreter des Erzbischofs von Mainz anwesend sein würden. Und wenn die erfuhren, dass ein aufrührerischer Mann vor dem Römer Reden hielt und die Leute aufwiegelte, dann war Frankfurt als Messestadt nicht länger zu halten.
     
    Eben läuteten die Glocken von St. Nikolai, und die Menge erstarrte. Der Prediger kam auf den Platz, und Richter Blettner riss das Fenster auf, um zu hören, was der Mann sagte, so wie er es bereits in den vergangenen Tagen getan hatte.
    «Die Erde ist in Frevlerhand», verkündete der Mann. «Aber das wisst Ihr ja. In wessen Hand aber sind die Kirchen? Wer sind sie, die Männer der Geistlichkeit? Seht sie Euch an. Haben sie Euch je in Eurer Not geholfen? Waren sie da, wenn Eure Kinder Hunger litten, die Frauen mit Keuchhusten darniederlagen? Wo war sie, die Geistlichkeit? Ist auch sie eher Diener der Hölle als Diener der Menschen, die der Unfassbare nach seinem Abbild geschaffen hat? Haben Geistliche jemals Liebe geschenkt oder doch nur gepredigt? Die Zeit der langen Reden ist vorüber.» Diesen Satz schrie der Prediger geradezu, und sein wildes Weib schlug dazu die Mohrenpauke. «Redet nicht von der Liebe, lebt sie! Denn die Liebe ist das Leben. Nur durch die Liebe erfahrt Ihr das Leben, spürt es mit jeder Faser Eurer Herzen und Eurer Leiber.»
    Blettner prallte zurück. Was der da unten von sich gab, das war wahrhaft ketzerisch. Das konnte so nicht länger gestattet werden. Das war womöglich noch schlimmer als das Gerede von der Hölle … das war ja … ein regelrechter Aufruf zur Unzucht und Sittenlosigkeit!
    Er warf das Fenster zu, schritt energisch zur Tür, riss sie auf und brüllte nach den Bütteln.
    «Schreibt auf, wer da unten steht und Maulaffen feilhält», wies er die Büttel an. «Und wenn der Kerl fertig ist mit seiner Rede, dann setzt ihn fest.»
    «Sollen wir ihn mit Stricken binden?», fragte einer der Büttel. Blettner überlegte einen Augenblick. Am liebsten hätte er diesen frechen Kerl in das dunkelste Verlies gesperrt und den Schlüssel weggeworfen. Mit Schaudern dachte er an den gestrigen Heimweg zurück, an die Szene am Brunnen. Er schüttelte sich ein wenig. Aber wenn er den Mann in Stricke legen ließ, dann würden die Weiber da unten am Ende noch durchdrehen. Nein, er musste behutsam vorgehen, musste sich freundlich zeigen.
    «Um Gottes willen, nein, nicht in Stricke», wies er die Büttel an. «Ich will ihn nur befragen. Ihn und das schreckliche Weib da draußen. Und seht zu, dass ihr behutsam vorgeht. Ich brauche keinen Aufruhr vor dem Rathaus. Packt ihn nicht bei den Armen, sagt ordentlich ‹bitte› und ‹danke› und regt die Menge nicht auf.»
    Die Büttel nickten und stoben davon. Kaum waren sie um die Ecke gebogen, da tauchte der Schultheiß Krafft von Elckershausen auf. «Habt Ihr Euch schon um den Ratsschatz gekümmert?», fragte er. «Ihr wisst, wir brauchen das Silber für das Hirschessen.»
    «Ich?» Richter Blettner deutete mit dem Finger auf seine Brust. «Wieso ich? Ist das nicht die Aufgabe des Stadtkämmerers?»
    «Pscht, pscht.» Krafft von Elckershausen sah sich nach allen Seiten um und schob Blettner in seine Amtsstube. «Jetzt brüllt doch nicht so. Es muss nicht jeder hören, was ich mit Euch zu besprechen habe.» Er schloss nachdrücklich die Tür hinter sich.
    «Wieso ich?», wiederholte Blettner.
    Krafft von Elckershausen ließ sich schwer in einen Sessel fallen und wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. «Eine Hitze ist das», klagte er. «Man könnte meinen, man schmore schon jetzt in der Hölle.»
    Blettner unterdrückte ein Kichern. «Der da draußen, der Prediger, behauptet dasselbe.»
    «Was?» Der Schultheiß schrak auf, doch dann winkte er ab. «Dieser Prediger, das ist mein kleinstes Problem. Kommt mal näher, Richter.»
    Blettner tat, wie ihm geheißen, und der Schultheiß raunte ihm ins Ohr. «Dem Kämmerer, mein

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