Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
lieber Blettner, dem traue ich nicht mehr. Er war einer der Ersten, der dafür war, dass Frankfurt evangelisch wird. Es heißt, er wolle sich damit beim Landgrafen Philipp lieb Kind machen. Er war es, der die Patrizier beeinflusst hat. Die Zunftmeister der Kürschner, Goldschmiede und Perlensticker, die sind auf seiner Seite, denn die haben ja nicht viel zu verlieren, wenn die Messe nach Mainz geht. Nur die großen Handelsleute, die Geisenheimers, die Hellers und die Stalburgs, die sind noch auf unserer Seite, auf der Seite des rechten Glaubens. Nun, bald wird sich herausstellen, wer mehr Macht hat.»
«Soll das heißen, Schultheiß, Ihr liefert Euch einen kleinen Machtkampf mit dem Kämmerer?», fragte Blettner verwirrt.
«Na ja, na ja, so kann man das nicht ausdrücken. Es geht schließlich um eine große Sache. Es geht um das Schicksal unserer Stadt, es geht um den wahren Glauben. Andererseits hat der Kämmerer es abgelehnt, unseren Jüngsten über die Taufe zu halten. Mein Weib hat deswegen drei Tage gegreint.»
«Ich verstehe.» Blettner nickte. «Und was soll ich jetzt tun?»
Krafft von Elckershausen pikte mit dem Zeigefinger gegen Blettners Brust. «Ihr werdet den Ratsschatz überprüfen. Zählt die Silberteller und -becher, die Bratenplatten, Kerzenleuchter, Suppenkellen und alles andere. Es darf nichts fehlen, das sage ich Euch gleich. Alles muss in bester Ordnung sein. Wir müssen dem Kämmerer nach und nach die Aufgaben beschneiden. Und am besten so, dass er nichts davon merkt. Habt Ihr mich verstanden, Richter?»
Blettner nickte nachdenklich. «Ihr wollt dem Kämmerer eins auswischen. Zum Wohle der Stadt natürlich. Ich habe verstanden.»
Der Schultheiß erhob sich aus seinem Sessel. «Dann ist ja alles bestens.» Er wandte sich zum Gehen. «Ach so, Blettner, dafür habt Ihr natürlich einen Gefallen bei mir gut. Eine Hand wäscht die andere, ist es nicht so?»
Blettner lächelte und legte den Kopf ein wenig schief. Er dachte an Gustelies und daran, wie schmerzlich er ihr Essen vermisste. «Ich wüsste da etwas, Schultheiß», begann er zögerlich. «Ihr erinnert Euch doch noch daran, dass meine Schwiegermutter auf dem Friedhof Unregelmäßigkeiten festgestellt haben will, nicht wahr?»
Der Schultheiß kniff die Augen zusammen. «Tatsächlich? Ach ja. Hatte sie nicht geglaubt, mal wieder eine Leiche gefunden zu haben?»
Blettner seufzte und nickte. «Vielleicht, wenn Ihr die Büttel für ein, zwei Stunden entbehren könntet?»
Der Schultheiß zog die Luft hörbar durch die Nase ein. «Morgen aber erst, Blettner, heute liegt anderes an.»
Mit diesen Worten verließ er Blettners Amtsstube.
Er war kaum hinaus, da klopfte es schon wieder an der Tür, und die Büttel brachten den Prediger herein.
Blettner stand auf, bot dem Mann und dem garstigen Weib einen Platz an, wies den Schreiber an, Wein und Apfelsaft zu bringen, und befasste sich dann mit seinen Gästen.
«Ich bin Richter Blettner», erklärte er. «Und in dieser Stadt für Ordnung und Gesetz zuständig.» Er betrachtete den Mann und die seltsame Frau von oben bis unten. Das Weib hatte sich Holzstäbchen in das wirre Haar gezwirbelt, doch eine Frisur konnte Blettner das, was sie da auf dem Kopf hatte, wahrlich nicht nennen. Ihr Kleid war sauber, auch die Fingernägel und die Schuhe blitzten vor Reinlichkeit. Erst als Blettner der Frau ins Gesicht blickte, stockte ihm der Atem. Über ihre rechte Stirnseite und die ganze rechte Wange bis hinab zum Mund zog sich eine fingerdicke Narbe mit wulstigen Rändern. Auch die Lippen waren zerstört, die obere durch eine Narbe in zwei Teile gespalten, die untere so schmal, dass sie beinahe nicht zu sehen war. Blettner wollte fragen, was mit dem Weib geschehen war, doch dann beschloss er, dass der Zeitpunkt dafür noch nicht gekommen war.
«Also, ich bin Richter Blettner, und ich freue mich, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid.»
Der Prediger erhob sich und reichte dem Richter die Hand. «Einar von Beeden», stellte er sich vor. «Und dies ist mein Weib Mona.»
«Ihr seid vor Gott und den Menschen miteinander vereint?», fragte Blettner.
Einar von Beeden zuckte mit den Achseln. «Nennt es, wie es für Euch richtig scheint.»
«Gut.» Blettner setzte sich hinter seinen Schreibtisch. «Woher kommt Ihr?»
Der Prediger lächelte. «Wir waren überall. Und wir haben gesehen, dass es überall schlecht ist. Was nützen Euch da Ortsnamen?»
«Nun, damit ich vielleicht höre, dass es um andere Orte
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