Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
unmenschliche Grausamkeit die Türken gegen das Christliche Volk verübt haben, ist nicht zu beschreiben. Allenthalben auf den Straßen, im ganzen Lager und auch sonst erschlagene Leute. Die Kinder voneinander gehauen und auf Spieße gesteckt, den schwangeren Weibern die Früchte aus dem Leib geschnitten und sie neben die verblutenden Mütter gelegt.›»
«Hört auf, das kann ich ja gar nicht mit anhören!» Blettner hob abwehrend die Hände. «Meine Frau hat erst kürzlich ein Kind bekommen. Und war dabei in der Hand eines Verbrechers! Ich darf gar nicht daran denken.»
«Dann habt Ihr also selbst erfahren, dass die Erde in Frevlerhand ist?», wollte der Prediger wissen.
Blettner schüttelte den Kopf. «Das sind Ausnahmen. Keineswegs gilt das allgemein.»
Einar von Beeden nickte. Dann wies er auf seine Gefährtin und forderte sie auf: «Erzähle, was dir geschehen ist.»
Das Weib wand sich auf seinem Stuhl, schüttelte den Kopf, bedeckte das Gesicht mit den Händen, aber Einar von Beeden ließ nicht locker. Schließlich blickte das Weib zu Boden und begann leise zu erzählen: «Ich stamme aus einer kleinen Stadt im Bayerischen und war einem jungen Hufschmied, Andreas, anverlobt. Mein Vater aber verschob die Heirat ein um das andere Mal. Andreas war ihm nicht gut genug, und es schien, als warte er darauf, dass noch ein besserer Freier um meine Hand anhielt.»
Blettner nickte, aber er verstand den Vater des Weibes nicht. Warum war er nicht froh, dass er diesen Koloss von Tochter überhaupt unter die Haube bekam? Er wusste in Frankfurt mehr als eine Frau, die sich mit dem Weib des Predigers an Hässlichkeit messen konnte und die als alte Jungfer geendet war.
«Dann kamen die Werber. Andreas folgte ihnen und zog in den Krieg. Er war der jüngste von vier Söhnen und arbeitete bei seinem ältesten Bruder in der Werkstatt als Geselle. Der Verdienst war schmal, hätte vorn und hinten nicht gereicht, um eine Familie zu ernähren. Also zog Andreas mit den anderen Landsknechten Richtung Wien. Er wollte Geld verdienen, damit wir endlich heiraten und uns vielleicht sogar eine eigene Werkstatt leisten konnten. Kaum war er weg, da bemerkte ich, dass ich schwanger war. Ich flehte den Vater an, Andreas zurückzuholen, doch der Vater dachte nicht daran. ‹Wenn du deinen Liebsten wiederhaben willst, dann ziehe ihm doch nach!›, hat er geschrien. Und ich tat, was er sagte, zog allein Andreas und den Landsknechten hinterher. Kurz vor Wien traf ich auf die Türken. Sie trugen hohe Turbane, gezwirbelte Bärte und kämpften nicht wie unsere Landsknechte mit Piken und Arkebusen, sondern mit Krummdolchen. Sie nahmen mich gefangen und schändeten mich, Dutzende von ihnen.» Die Stimme des Weibes wurde leiser, und Blettner sah, dass sie mit den Tränen kämpfte. Er füllte einen Becher mit Wein und reichte ihn der Frau über den Tisch. Als sie getrunken hatte, sprach sie mit schleppender Stimme weiter. «Ich schrie, bis mir einer mit seinem Krummsäbel durch das Gesicht zog. Ich wurde ohnmächtig, und als ich wieder zu mir kam, da lag ich in einer ärmlichen Hütte auf dem Stroh, und eine alte Frau versuchte, mir einen Kräutersud einzuflößen. Mein Kind verlor ich noch in der gleichen Nacht unter Blut und Schmerzen.»
«Genug, genug.» Blettner hob abwehrend die Hände. «Ich habe genug gehört.» Er schüttelte sich. Dann wandte er sich an das Weib. «Es tut mir leid, dass Ihr durch eine solche Hölle gehen musstet.»
Das Weib nickte, hob die Hand und strich dem Prediger damit über die Wange, sodass sein Gesicht beinahe verschwand. «Eines Tages traf ich ihn», sagte das Weib mit einer Stimme, die plötzlich ganz weich und weiblich klang. «Er hat mit mir gesprochen. Gute, liebe Worte. Ganz so, als wäre ich noch ein Mensch und nicht irgendein Tier, welches man am besten auf dem Jahrmarkt ausstellt. Gefragt hat er mich, woran ich kranke. Und ich habe ihm geantwortet, dass es die Liebe war, die mich so zugerichtet hat. Und er hat mir erklärt, dass es der Krieg war, das Böse, der Teufel, das Tier im Menschen. Und dass meine große Liebe zu Andreas die anderen Menschen so sehr ängstigt, dass sie sie vernichten müssen. So, wie der Teufel die Liebe vernichten muss. So, wie er mir den Liebsten genommen hat.»
Blettner nickte. Ihn dauerte das arme Weib unendlich, aber, bei Gott, was sollte er tun?
«Ja, und dann kam Einar. Er nahm mich zum Weib. Weil mich die Liebe so leiden ließ. Und er sagte zu mir, ich weiß es noch bis
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