Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
dem Tisch leisten. Jedenfalls hat jemand den Bäcker angezeigt. Er musste ins Malefizamt, und wir dachten, er bekäme das Brandeisen zu spüren. Aber nichts da. Der Richter ließ ihm die Wahl: entweder das Brandeisen und die Verbannung aus der Stadt, oder er zieht als Landsknecht des Landgrafen gegen die Habsburger. Nun, er ist in den Krieg gegangen. Dafür durfte seine Familie hierbleiben. Nicht einmal die Bäckerei wurde geschlossen. Jetzt aber ist die Luise weg. Und niemand weiß, wo sie sein könnte.»
Gustelies musste sich auf die Lippen beißen, um nicht zu verraten, dass die junge Bäckerin in der Halle des Henkers lag. Zu gern hätte sie noch gewusst, ob die Luise vor ihrem Tod Post bekommen hatte von ihrem Mann, doch dann fiel ihr ein, dass wahrscheinlich weder der Bäcker noch die Bäckerin schreiben und lesen konnten.
«Hatte sie Besuch, die Luise, bevor sie verschwand?», fragte sie.
Die dicke Frau kniff misstrauisch die Augen zusammen. «Warum wollt Ihr das wissen? Was geht das Euch an?»
Gustelies schüttelte sich ein wenig. «Gar nichts geht es mich an. Ich wollte nur behilflich sein.»
Eine junge Frau, die bisher geschwiegen hatte, meldete sich zu Wort: «Einer kam hierher. Wann das war, das weiß ich nicht mehr. Auch nicht, ob er zur Luise wollte. Er sagte nichts und fragte nichts. Abgerissen sah er aus. Zerlumpte Kleider, wirres Haar und eine zerschlissene Ledertasche auf dem Rücken. Kann sein, dass er an der Bäckerei geklopft hat, weil er Hunger hatte.»
«Ihr habt ihn danach nicht noch einmal hier gesehen, den Fremden?»
Die Frauen blickten sich an und schüttelten den Kopf.
Nur die junge Frau sah zu Boden. Sie weiß noch etwas, dachte Gustelies. Aber sie wagt nicht, es vor den anderen zu sagen. Soll ich sie direkt fragen? Aber nein, die Dicke beobachtet mich mit Argusaugen. Ich muss, wenn es nötig wird, später noch einmal herkommen und mit der Frau sprechen.
Gustelies betrachtete sie von oben bis unten. Sie hatte Brandblasen auf dem Handrücken, ein wenig Asche auf der Stirn und einen Fleck mitten auf der Schürze. Eine Magd, dachte Gustelies. Sie ist eine Magd. Deren wird es nicht viele geben hier. Ich werde sie leicht finden, wenn ich muss. Sie hob die Hand zum Gruß und wandte sich zum Gehen.
Hinter der nächsten Wegbiegung wartete sie, darauf hoffend, dass die Magd denselben Weg hätte. Sie musste gar nicht lange warten. «Auf ein Wort!», rief sie die junge Frau an. Die Magd blieb stehen, sah sich ängstlich nach allen Seiten um.
«Du weißt noch mehr, habe ich recht?», fragte Gustelies.
Die junge Frau nickte. «Sie ist meine Freundin, die Luise Bäckerin.»
«Was weißt du noch?»
Die Magd schluckte. «Angefleht hat sie den Mann, nicht in den Krieg zu ziehen. Lieber wäre sie als Landstreicherin mit ihm unterwegs gewesen, als fürchten zu müssen, er könne sein Leben lassen.» Die Magd schob trotzig die Unterlippe vor. «Sie haben sich geliebt, die Luise und der Josef. Sehr geliebt sogar. Würde mich gar nicht wundern, wenn sie ihm nachgegangen wäre.»
Gustelies stutzte. «Du meinst, sie ist ihm nachgezogen in den Krieg? Zum Heer des Landgrafen?»
Die Magd zuckte mit den Achseln. «Weiß ich’s? Aber vorstellen könnte ich es mir schon.»
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Kapitel 18
W as geschieht nun mit der jungen Frau?», fragte Gustelies am Abend ihren Schwiegersohn, als sich alle versammelt hatten, um endlich die Töpfe aus dem Roten Ochsen leer zu essen.
Heinz Blettner schob sich ein Stück Braten in den Mund. «Was soll schon passieren? Das, was mit allen unbekannten Selbstmörderinnen in Frankfurt geschieht. Der Henker steckt sie in ein Fass und wirft das Fass frühmorgens in den Main.»
«Sie ist aber nicht unbekannt. Es ist Luise Bäckerin. Sie wohnt drüben in Sachsenhausen.» Jutta Hinterer stützte die Ellbogen auf den Tisch. «Ihr könnt sie nicht einfach in ein Fass stecken.»
«Na?» Gustelies stieß ihren Schwiegersohn leicht in den Rücken. «Klingelt da etwas bei dir?»
Richter Blettner zog die Stirn in Falten. «Luise Bäckerin aus der Sachsenhauser Neustadt? Das sagt mir etwas, den Namen habe ich schon mal gehört. Wenn ich nur wüsste, wo und wann?»
«Da kann ich dir gern aushelfen.» Gustelies tat dem Pater einen weitere Scheibe Fleisch auf seinen Teller. «Vor zwei Monaten hast du ihren Mann verurteilt. Er hatte Brot gepanscht. Zu viel Wasser, und statt des guten Weizenmehls hat er Roggenmehl genommen. Außerdem hat er das Brot mit Malz schön
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