Die Verbrechen von Frankfurt. Frevlerhand
Trugbild der Jugend, einzig gemacht dafür, die Frauen schnell unter die Haube zu bringen?»
Jutta kicherte. «Ich habe auch schon verliebte Männer gesehen. Früher einmal.»
Gustelies nickte. «Ja, ja. Aber hättest du jetzt noch Lust, dir einen ins Haus zu holen, dem du die Wäsche machen und dem du gehorchen musst? Für den du kochen, putzen und den du amüsieren sollst?»
Jutta schluckte. «Darum geht es nicht. Mir nicht. Ich will im Alter nicht allein sein. Ich will überhaupt nicht allein sein. Dafür ist der Mensch nicht gemacht. Aber du hast schon recht. Statt mit dem Fuhrmann zu tändeln, könnte ich auch in ein Damenstift eintreten. Leider fehlen mir dazu die finanziellen Mittel. Also bleibt nur ein Mann.»
Die Freundinnen kicherten im schönsten Einverständnis, da flog die Tür einer nahen Gastwirtschaft auf. Ein vierschrötiger Mann mit Händen wie Grabschaufeln erschien und warf einen anderen in hohem Bogen durch die Luft und auf die Straße.
«Verschwinde!», brüllte er mit Donnerstimme. «Und lass dich hier bloß nicht wieder blicken. Meiner Liebsten schöne Augen machen, so weit kommt es noch!»
Der andere Mann, eher dürr, rappelte sich auf und grinste schief. Dabei lief ihm das Blut aus der Nase, das er mit dem Ärmel rasch abwischte. «Pah! Du kannst mir gar nicht drohen, Kesselschmied. Morgen ziehst du in den Krieg, und dann ist deine Braut Freiwild. Ich hole mir schon, was ich haben will, darauf kannst du einen lassen!»
Der Vierschrot holte tief Luft, und sein Brustkorb wölbte sich dabei gefährlich nach vorn. Er ballte die Fäuste und wollte den Frechling stellen, doch der nahm die Beine in die Hand und rannte, als ginge es um sein Leben.
«Was glotzt ihr da, ihr Weiber? Geht nach Hause, dorthin, wo ihr hingehört!», rief der mächtige Mann Gustelies und Jutta zu und drohte ihnen mit der Faust, weil halt niemand anderes in der Nähe war.
Jutta zuckte nur mit den Schultern und zog Gustelies ein Stück weiter die Straße hinauf. Als sie an einer Mauernische vorüberkamen, blieb Gustelies plötzlich stehen. «Hörst du das?», raunte sie.
Jutta nickte. «Da stöhnt jemand zum Gotterbarmen. Wir müssen helfen.» Sie trat ein paar Schritte näher, dann schlug sie die Hand vor den Mund und kicherte. «Dort sind zwei zugange. Und ich glaube, die brauchen von uns wirklich keine Hilfe.»
Gustelies schüttelte den Kopf. «Haben die denn kein Zuhause? Zustände sind das hier.»
Jutta biss sich auf die Unterlippe. «Ein Zuhause haben die schon, aber ich wette, in unterschiedlichen Häusern.»
«Hast du etwa jemanden erkannt?», wollte Gustelies wissen.
Jutta zögerte einen Augenblick, dann seufzte sie und sagte: «Jeder sieht eben zu, dass er auch ein Stückchen Liebe abkriegt. Verdenken kann ich es niemandem.»
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Kapitel 17
D er Mann, der sich selbst «der Retter» nannte, saß auf einem Stein am Mainufer und starrte auf das schmutzig grüne Wasser. Ein paar Fischer zogen vorbei, doch der Retter bemerkte sie gar nicht. Er war vorhin auf dem Friedhof gewesen. Versteckt, in einer Ecke. Und doch so nah, dass er alles genau hören und sehen konnte.
«Was haben sie nur mit meiner Rose gemacht?», flüsterte er vor sich hin. «Sie haben sie weggebracht. Zum Henker. Meine reine, unschuldige Rose.»
Er stampfte mit dem Fuß auf, nahm einen Stein und schleuderte ihn wütend ins Wasser. «Warum bloß? Begreifen sie nicht, dass sie nur Ruhe haben möchte? Ruhe und Frieden? Warum holen sie sie weg vom einzigen Ort, der ihr Frieden bringt? Sind die Menschen so dumm?»
Der Retter hatte nicht bemerkt, dass er laut gesprochen hatte. Unten am Fluss spielten ein paar kleine Kinder mit einem Ball, aber auch sie nahm er nicht wahr.
Er starrte auf den Fluss, der behaglich in seinem Bett lag, unbekümmert von den Angelegenheiten der Menschen, doch er sah das Wasser nicht, sah nicht die angelnden Fischer, nicht den Nachen, der sich langsam dem gegenüberliegenden Ufer näherte.
Er schloss die Augen und wiegte sich hin und her. Dabei summte er leise eine Melodie. Plötzlich erstarrte er inmitten seiner Bewegung, riss die Augen auf und den Mund zum Schrei. Im letzten Moment presste er sich eine Faust auf die Lippen. Doch der Schrei klang in ihm weiter, durchwehte die dunklen Bilder, die in ihm hockten und sich durch nichts vertreiben ließen. Der Schrei kroch in seinen Magen, sodass er sich krümmte auf dem Stein, kroch weiter hinab in die Beine, die weich wurden, und in die
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