Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich
war.»
Er wandte sich an den Schreiber. «Weißt du, wer in letzter Zeit als vermisst gemeldet worden ist? War eine Nonne darunter?»
Der Schreiber schüttelte den grünen Kopf, und Heinz Blettner beruhigte sich wieder ein wenig.
Der Leichenbeschauer schritt langsam um den Tisch herum. «Die Todesursache kann ich nicht so ohne weiteres bestimmen. Fest steht, dass ihr jemand mit einem Y-Schnitt den Körper geöffnet hat.»
Eddi beugte sich über die Tote und zog die leicht aufgeworfene Bauchdecke mit den grauen Schnitträndern ein Stück zurück. «Sie ist ausgeweidet worden. Keine Leber, keine Lungen, keine Nieren, keine Milz. Nicht einmal der Magen ist noch da. Und das Herz hat man ihr ebenfalls herausgeschnitten. Halt mal.» Eddi wies den Richter an, die andere Seite der Bauchdecke hochzuziehen. «Siehst du das?», fragte er dann. Der Richter atmete flach und verneinte.
«Da! Das Herz fehlt. Siehst du das ganze Blut ringsum? Sie hat noch gelebt, als man an ihr Herz ging. Es ist ihr buchstäblich bei lebendigem Leib herausgetrennt worden. Das Blut ist übrigens ein weiterer Beweis dafür, dass sie nur sehr kurz im Wasser gelegen hat.»
Blettner schluckte. «Somit haben wir also die Todesursache?»
Der Leichenbeschauer bestätigte das. Dann ging er ein paar Schritte, spähte in den offenen Unterleib der Toten. «Die Därme sind vorhanden. Hilf mir mal, sie zur Seite zu räumen.» Beherzt griff er in den Leib, holte mit beiden Händen die Darmschlingen heraus und legte sie neben die Tote. «Na, was haben wir denn da?», fragte er dann. «Sie war schwanger! Sie war sogar hochschwanger. Schau dir den Uterus an. Groß wie ein Kürbis. Und siehst du auch den Schnitt darin? Das Kind ist der Mutter ebenfalls aus dem Bauch geschnitten worden. Und der Mutterkuchen fehlt auch.» Eddi Metzel sah nachdenklich zur gegenüberliegenden Wand.
«Was?», fragte Blettner. Er hatte das Gefühl, dass sein Herz mit einem Mal nicht mehr im richtigen Rhythmus schlug. Schwanger. Das Kind aus dem Bauch geschnitten. Er musste mehrmals ganz tief durchatmen, damit seine weichen Knie nicht einknickten.
«Ich bin nicht sicher», erklärte der Leichenbeschauer. «Aber mir ist, als hätte ich schon einmal von einem Verfahren gehört, bei dem das Kind der Mutter aus dem Bauch geschnitten wird. Ich muss mich kundig machen. Fest steht jedenfalls, dass sie kurz vor der Niederkunft stand.»
Der Richter schüttelte sich. Einen Augenblick dachte er an seine Hella, und das Grauen überkam ihn. Der Schreiber war mittlerweile mit dem Rücken an der Wand herabgerutscht und hockte, noch immer grüngesichtig, auf dem Boden, die Schiefertafel zwischen die Knie geklemmt. Sein Atem ging in flachen Stößen. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, und der Griffel in seiner Hand zitterte.
«Hat es noch gelebt, das Kind?», presste Heinz Blettner mit zusammengepressten Zähnen hervor.
Eddi Metzel betrachtete inzwischen die Genitalien der Frau. «Geboren auf natürlichem Wege hat sie es jedenfalls nicht», erklärte er. «Mehr kann ich dazu auch nicht sagen.»
Er schaute auf, sah Richter Blettner an. «Wer macht so etwas?», fragte er.
«Ich weiß es nicht», erwiderte Blettner mit grauem Gesicht, in dem das Entsetzen stand. «Ich weiß nur, dass wir ihn fangen müssen. Und zwar so schnell wie möglich.»
«Glaubst du etwa …» Eddi Metzel sprach den Satz nicht zu Ende, aber Blettner wusste auch so, was der Leichenbeschauer meinte. Er hob die Schultern. «Bei Gott, ich hoffe nicht, dass wir es hier mit einem Serienmörder zu tun haben. Aber ich kann auch nichts ausschließen. Jedenfalls werde ich Hella nicht mehr allein aus dem Haus lassen.»
Eddi nickte. «Lasst uns die Leiche umdrehen. Ich will sehen, wie sie von hinten aussieht.»
Der Richter packte die Tote behutsam bei den Knöcheln, Eddi nahm die Schultern, dann drehten sie die Leiche auf den Bauch.
«Um Gottes willen, was in aller Welt ist das denn?», rief Eddi aus und schlug sich die Hand vor den Mund.
«Was ist?», fragte der Richter, trat an das obere Ende des Tisches und starrte auf den blutigen Schädel, dem ein männerfaustgroßes Stück Kopfhaut samt Haaren fehlte.
«Was in aller Welt hat das zu bedeuten?», fragte Heinz Blettner entgeistert.
«Ich weiß es nicht», gab Eddi Metzel zu. «Und ich glaube, ich will es auch gar nicht wissen.»
[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 8
F einer Nieselregen verbarg die Stadt hinter einem Schleier. Wolken trieben wie dicke Federbetten über die
Weitere Kostenlose Bücher