Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich
Frau, und wo ist ihr Kind geblieben?»
Die Frauen sahen sich an. «Denkst du, was ich denke?», fragte Jutta.
«Ich denke, ich denke dasselbe wie du», antwortete Gustelies. «Hast du heute Nachmittag Zeit?»
Jutta hob die Hände. «Für so etwas habe ich immer Zeit, meine Liebe.»
«Gut, dann such ein paar Sachen zusammen, die du nicht mehr brauchst. Mit leeren Händen können wir dort nämlich nicht auftauchen.»
Im Malefizamt hatte Richter Blettner sich die Vermisstenmeldungen bringen lassen und sah sie jetzt einzeln durch. «Anna Rübner, Wäscherin, fünfundvierzig Jahre, vermisst seit dem Hochwasser im Oktober. Na, die scheidet wohl aus. Sie wird ertrunken sein. Gut. Wen haben wir noch?»
Der Schreiber stand hinter seinem Pult und sah ins Registerbuch. Auch vor ihm lagen Kopien der Vermisstenzettel. «Ilsegard Schwäbli. Neunzehn Jahre alt. Eine Wanderdirne, die seit der Herbstmesse als vermisst gilt.»
«Wer hat sie gemeldet?»
Der Schreiber blätterte. «Ah, hier steht es. Eine Freundin. Hüttli, Annabell. Ebenfalls Wanderdirne. Sie sagte aus, dass die Schwäbli mit einem Freier in dessen Herberge gegangen und von dort nicht wiedergekommen wäre. Der Büttel hat damals in der Herberge nachgefragt. Aber die hatten keine Ahnung. Nichts gehört und nichts gesehen.»
«Eine Wanderhure, na ja. Sie wird wohl weitergewandert sein. Womöglich ohne die Freundin, die ja auch Konkurrenz ist. Ich glaube, die können wir auch streichen. Wer noch?»
«Roswitha Blunck. Magd. Sechsunddreißig Jahre alt.»
«Und weiter?»
Wieder blätterte der Schreiber mit angelecktem Zeigefinger im Registerbuch. «Die Blunck wurde von der Magd der Nachbarin vermisst gemeldet. Es hieß, ihr Dienstherr hätte ein Techtelmechtel mit ihr und seine Frau wäre dahintergekommen. Mit dem Nudelholz soll sie die Blunck vom Hof gejagt haben.» Der Schreiber kicherte. «Das hätte sie mal mit meinem Weib machen sollen, die Blunck. Dann wäre die Meine jetzt eine Mörderin.»
«Schreiber, reiß dich zusammen. Wir suchen nach einer Toten. War sie schwanger, die Blunck?»
«Davon steht hier nichts.» Der Schreiber kicherte wieder und schüttelte den Kopf. «Die Meine hätte der Blunck wohl auch den Bastard aus dem Leib geholt.»
«Schreiber! Herrgott noch eins, jetzt konzentrier dich. Du scheinst dir ja regelrecht zu wünschen, dass dein Weib hinter deine Liebeleien kommt.»
Der Schreiber wurde rot wie Klatschmohn. Er räusperte sich: «Verzeihung, Herr. Mehr haben wir nicht. Es gab da noch zwei, die sich wieder eingefunden haben, und eine, von der es heißt, sie ist mit den Unseren in den Türkenkrieg gezogen. Gehört habe ich noch von einer aus Vilbel. Aber die scheidet wohl auch aus. Sie hatte einen Wolfsrachen. Aber die war schwanger. Hmm, wahrscheinlich war sie eine Werwölfin oder so etwas. Jedenfalls kann ich mir keinen denken, der so einer ein Kind macht.»
«Hmpf!», machte Richter Blettner. Er hatte kaum zugehört, nahm jetzt aber den Federkiel, an dessen Ende er gekaut hatte, aus dem Mund. «Wenn es hier in der Stadt keine Vermissten mehr gibt, dann müssen wir eben in der Vorstadt nachfragen. Schreiber, ich gehe jetzt zu Tisch. Du aber machst dich auf den Weg und fragst in der Vorstadt nach.»
Der Schreiber verzog das Gesicht.
«Was ist denn nun wieder?»
«Kann das nicht einer der Büttel machen?»
«Warum denn? Du erstickst ja nicht gerade in Arbeit hier.»
«Trotzdem. Mein Weib. Ihr wisst doch.»
«Gar nichts weiß ich. Was ist mit Eurem Weib?»
Der Schreiber wurde wieder blutrot. «Sie … nun ja … sie … Es wird Ärger geben, wenn sie hört, dass ich in der Vorstadt war.»
Der Schreiber sah den Richter hilfesuchend an. Blettner begann schallend zu lachen. «Hat sie dich erwischt, die Deine? Hat sie dir vor dem Hurenhaus aufgelauert, was? Und dir gedroht, wenn du dort noch einmal gesehen wirst, dann kannst du dein Bett in der Gosse machen, nicht wahr?»
Der Schreiber nickte und wusste vor Verlegenheit nicht, wo er hinschauen sollte.
Richter Blettner kicherte noch immer.
«Darf ich den Bütteln Bescheid sagen?», fragte der Schreiber kläglich. Blettner schüttelte den Kopf. «Nein», bestimmte er. «Du gehst. Immerhin scheinst du ja ziemlich gute Verbindungen in die Vorstadt zu haben. Und komm mir bloß mit Ergebnissen zurück, sonst sage ich deinem Weib, wo du gewesen bist.»
Noch immer kichernd erhob er sich und verließ das Malefizamt. Auf dem Gang traf er den zweiten Bürgermeister, den Schultheiß
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