Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich
bist ja ganz heiß. Du hast schreckliches Fieber. Na, das erklärt alles. Bleib du heute nur ruhig im Bett. Ich sage bei den Antonitern Bescheid, dass sie deine Arbeit übernehmen. Schlaf jetzt am besten. Und ich gehe derweil auf den Markt und kaufe Lindenblüten, um dein Fieber zu senken.»
Der Pater nickte und schloss die Augen, und Gustelies verließ wie auf Katzenpfoten das Zimmer.
Bruder Göck maulte zwar, als er hörte, er müsse Pater Nau vertreten, aber Gustelies versprach ihm ein paar Schmalzfladen und eine Kanne guten Dellenhofer Spätburgunder, wenn er jetzt gleich käme. Dann eilte sie vom Antoniterkloster hinunter zum Markt, der wie immer auf dem Platz vor dem Römer abgehalten wurde.
Und ebenfalls wie immer suchte sie zuerst ihre Freundin Jutta Hinterer in der Wechselstube auf. «Der Pater ist krank», erklärte sie der Geldwechslerin.
«Das tut mir leid für ihn, aber zumindest geht es ihm besser als dem armen Ding, das man heute Nacht gefunden hat.»
«Welches arme Ding?», wollte Gustelies wissen, doch dann fiel ihr noch etwas anderes ein. «Hast du meine Jungbrunnensalbe?»
Jutta nickte, griff in ihre Rocktasche und holte daraus einen kleinen Tiegel hervor.
Gustelies dankte und steckte den Tiegel in die eigene Rocktasche.
«Warte, ich kriege noch einen halben Gulden von dir.»
«Ach, ja.» Gustelies seufzte und holte ihren Geldbeutel hervor. Sie sah ungläubig hinein, reichte der Freundin das Geldstück und schüttelte den Kopf. «Es ist nicht zu fassen. Mein Haushaltsgeld ist schon wieder aufgebraucht. Ich fürchte, ich muss mich diese Woche tatsächlich auf die Lauer legen und einen Stadthasen fangen.» Sie seufzte tief auf, dann fragte sie noch einmal: «Welches arme Ding?»
«Sag bloß, du weißt noch nichts?»
«Nein. Mir sagt ja keiner was.»
«Und das, obwohl du die Schwiegermutter des Richters bist.»
«Eben darum. Du weißt doch, dass Heinz den Bütteln und Schreibern Anweisungen gegeben hat, sämtliche Gerichtsfälle vor Hella und mir zu verbergen.»
«Na ja, mir hat niemand etwas verboten, deshalb weiß ich auch Bescheid. Also, in der Nacht, der Vollmond schien, und die Uhr am Römer schlug gerade die Geisterstunde, da legte ein Lastkahn am Hafen an. Und weißt du, was die Schiffer beim Antäuen entdeckt haben?»
«Nein. Was denn?»
«Eine Leiche, die am Ufer lag, womöglich sogar im Wasser trieb. Man verständigte sofort den Richter. Und der hat die Leiche bergen lassen, aber einer der Schiffer hat mir heute Morgen berichtet, dass es sich bei dem Leichnam um eine junge Frau gehandelt hat. Eine junge Frau, der man den Bauch aufgeschlitzt hat und die ausgeweidet war wie ein Stadthase.»
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Kapitel 7
S orgenvoll schritt Richter Blettner im Seitengebäude des Henkershauses auf und ab. «Wo bleibt der denn nun schon wieder?»
Der Henker stand beim großen Holztisch, auf dem die Leiche lag, und wusch diese behutsam mit einem feuchten Schwamm ab. «Er ist nie pünktlich, der Eddi. Was will man auch erwarten von einem Leichenbeschauer, der sich ekelt, eine Leiche anzufassen.» Bei jeder Bewegung des Henkers flackerten die Fackeln auf und warfen bedrohliche Schatten an die Wände.
Der Richter schüttelte sich ein wenig. «Um deine Arbeit beneide ich dich wirklich nicht», erklärte er dem Henker.
Der zuckte nur mit den Achseln. Er war ein schweigsamer Mann, der nur sprach, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Er lebte mit Frau und sechs Kindern in der Vorstadt, denn er galt als unrein. Doch das machte dem Henker nichts aus. Seit Generationen schon war die Familie als Scharfrichter bestellt. Und ebenfalls seit Generationen hatten sie sich daran gewöhnt, von den Menschen gemieden zu werden.
Von draußen war Gepolter zu hören.
«Na, endlich», sagte Richter Blettner und sah zu, wie Eddi Metzel den Raum betrat.
«Gott zum Gruße», sprach er und rieb sich gut gelaunt die Hände. «Was haben wir denn da?»
«Eine Leiche, Eddi. Und zwar eine ziemlich übel zugerichtete. Ich will alles wissen. Alter der Frau, Herkunft, Art der Verletzungen und so weiter und so fort. Am besten, du machst dich sofort an die Arbeit.»
Eddi nickte. «Der Henker muss mir dabei helfen. Mein Gehilfe liegt mit Durchfall im Bett.»
Der Scharfrichter schüttelte den Kopf. «Das geht nicht. Mein Gehilfe, der Stöcker, hat sich beim letzten Handabschlagen mit der Axt den eigenen Daumen gespalten. Ich muss heute selbst eine Auspeitschung und eine Anbindung an den Schandpfahl
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