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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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übernehmen.» Er wusch sich die Hände in einer Schüssel, nickte zum Gruß und verließ die Leichenhalle.
    «Dann musst du mir helfen, Richter. Oder wenigstens dein Schreiber.»
    Richter Blettner sah zu seinem Gehilfen. Der lehnte mit grünem Gesicht an der Wand, unfähig zum Protest. «Ich mache das. Der da drüben muss ja schließlich mitschreiben. Und das kann er meinetwegen mit dem Gesicht zur Wand tun.»
    Eddi Metzel zündete noch ein paar Fackeln an, dann trat er dicht an den Tisch. «Es handelt sich also hier um eine noch junge Frau. Wurde sie so aufgefunden? Wann? Wo? Von wem?»
    Der Schreiber starrte auf seine Aufzeichnungen. «Gestern Nacht. Als der Mond an der höchsten Stelle stand. Gefunden wurde sie von zwei Schiffern. Sie lag am Mainufer, die Beine bis zu den Schenkeln im Wasser.»
    «Was hatte sie an? Wo ist ihre Kleidung? Schmuck? Schuhe? Sonstiges?»
    «Sie war nackt», erklärte der Schreiber mit zittriger Stimme und hüstelte.
    «Das ist alles, was wir wissen. Die Hafenarbeiter werden befragt, aber die beiden Schiffer haben nichts gesehen und nichts gehört. Gefunden haben sie die Tote, weil sie von ihrem Kahn aus etwas Helles im Mondlicht am Ufer gesehen hatten. Und jetzt, Leichenbeschauer, stelle ich hier die Fragen. Wie alt ist sie ungefähr?» Richter Blettner hatte bereits das Wams abgelegt und die Ärmel hochgekrempelt.
    Eddi Metzel beugte sich über den Tisch, griff nach dem Kinn der Toten und öffnete ihr den Mund. «Zu unserem Glück ist die Leichenstarre schon weg. Daraus schließe ich, dass sie schon mindestens fünf Tage lang tot ist. Aber selbstverständlich hat sie nicht so lange im Wasser gelegen.»
    «Woher weißt du das?», wollte Richter Blettner wissen.
    «Ganz einfach. Die Haut ist vom Wasser nicht so sehr aufgequollen. Auch die übrigen Anzeichen für eine typische Wasserleiche fehlen. Beerenförmige Fingerkuppen, Krebse in den ausgefressenen Augenhöhlen, Flussaale, die sich an den Lippen gütlich getan haben. Nein, die hier lag nur sehr kurze Zeit im Main. Im Übrigen wurde sie seit ihrem Tod an einem kalten Ort aufbewahrt.»
    «Woher weißt du das schon wieder, mein Lieber?» Der Richter sah Eddi überrascht an.
    «Der Sarazene hat mir erklärt, dass die Fäulnisbildung von der Temperatur abhängig ist. Siehst du hier vielleicht ausgeprägte Fäulnis oder Verwesung, wie sie für eine fünf Tage alte Leiche üblich wäre? Nein. Also lag sie an einem kalten Ort.»
    «Nun, es ist schließlich Winter», stellte der Richter fest.
    Der Leichenbeschauer warf ihm einen scheelen Blick zu. «Und im Winter wird dort, wo Menschen leben, der Kamin geheizt.»
    Der Richter nickte und nahm sich vor, später den Leichenbeschauer zu fragen, ob auch er von Arvaelo in der Totenleserei unterrichtet worden war.
    «Gib mir den Mundsperrer und eine Kerze.» Eddi streckte seine Hand nach dem Richter aus. Blettner nahm das Gewünschte von einem kleinen Tischlein, und der Leichenbeschauer leuchtete die Mundhöhle der Toten damit aus.
    «Von den Weisheitszähnen sind noch nicht alle vier voll ausgebildet. Nicht älter als zwanzig Jahre, würde ich sagen.»
    «Schreiber, hast du das?»
    «Ja, Herr.»
    «Gut. Eddi, mach weiter. Kannst du mir etwas über ihre Herkunft sagen oder darüber, was sie gemacht hat?»
    Eddi nahm eine Hand der Toten, betrachtete sie gründlich, Finger für Finger. «Ihre Nägel sind sehr kurz geschnitten und sauber. Entweder hat sie vor ihrem Tod gebadet, oder sie ist in letzter Zeit nicht mit dreckigen Dingen in Berührung gekommen. Sie gehört sicher nicht zu einem Färber- oder Gerberhaushalt. Die Fingerspitzen sind nicht zerstochen, also scheiden auch die Schneider-, Kürschner-, Haubenmacher- und Stickerzünfte aus. Zudem sind ihre Hände nicht von Brandblasen oder Narben verunstaltet. Ich denke also auch nicht, dass sie eine Magd war.»
    «Eine Patrizierin etwa?» Dem Richter graute, als er daran dachte, wie er das dem Schultheiß Krafft von Elckershausen beibringen sollte.
    «Nein, ich glaube nicht. Die Patrizierinnen schmieren sich Bleiweiß auf die Stirn, um ihre Haut zu bleichen. Die hier hat keine Reste davon. Auch die typischen Anzeichen von Bleiweiß, diese kleinen Pickel, hat sie nicht. Ihre Haut ist ganz rein.»
    «Keine Handwerkerin, keine Patrizierin, keine Magd», murmelte der Richter vor sich hin. «Herrgott, was kann sie denn sonst noch gewesen sein?» Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Er riss die Augen auf. «Oh, nein, Eddi, sag mir, dass sie keine Nonne

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