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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Ahnung. Als ich in die Kirche kam, war der Beichtstuhl leer. Ich habe nach dem Pater gerufen, aber da kam keine Antwort. Schließlich ging ich in die Sakristei. Als ich die Tür öffnete, schrie Bernhard auf: ‹Weiche, Satan, weiche!› und ‹Die Erde ist in Frevlerhand!› Er selbst saß auf dem Boden vor der Truhe, war über und über mit Stroh bedeckt. Die leere Messweinkanne stand neben ihm. Als ich näher kam, hielt er sich die Augen zu und wimmerte: ‹Ich kann das nicht, ich bin doch auch nur ein Mensch. Jeder Pater ist ein Mensch.› Ich hockte mich neben ihn, sammelte das Heu von seiner Kutte und erklärte ihm immer wieder, wer ich bin. Irgendwann sah er mich mit großen Augen an und fragte, ob ich Branntwein dabeihätte.»
    «Und?», fragte Hella. «Hattest du?»
    «Natürlich nicht!» empörte sich Heinz. «Nun ja. Nur noch einen winzigen Rest.»
    «Aha. Wusste ich es doch!»
    «Du verstehst nicht, Weib. Branntwein ist für Männer so etwas wie Medizin. Hilft in jeder misslichen Lage. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn ich heute keinen Schluck dabeigehabt hätte. Es ist sogar möglich, dass ich damit unserem Bernhard das Leben gerettet habe.»
    «Und weiter?», fragte Gustelies dann.
    «Nichts weiter. Ich habe Bernhard beim Arm genommen, die Sakristei verschlossen, die Kerzen in der Kirche gelöscht und bin mit ihm hierhergekommen. Das ist alles.»
    «Er ist schon seit ein paar Tagen so merkwürdig.» Gustelies schüttelte den Kopf. «Ich muss mal mit Bruder Göck reden. Wer weiß, was der ihm wieder von der Hölle erzählt hat.»
    Pater Nau kam zurück in die Küche geschlurft. Er trug noch immer die Socken, hatte aber mittlerweile die Kutte abgelegt. Er ließ sich auf die Küchenbank fallen und starrte wortlos auf die gescheuerte Tischplatte.
    «Was ist denn mit dir? Jetzt rede doch endlich!» Gustelies’ Stimme war ungeduldiger geworden.
    Der Pater schüttelte nur ein wenig den Kopf.
    «Na gut! Wie du willst.»
    Wenig später durchzogen köstliche Gerüche nach Apfelwein und Schmalzfladen die Küche. Als der erste Fladen vor Pater Nau auf dem Teller lag, fragte dieser: «Was ist das? Wieder Schwarte?»
    «Was hast du nur immer mit der Schwarte?», fragte Gustelies. «Das ist nichts anderes als Schweinefett, auch Flomen oder grüner Speck genannt.»
    Bei dem Begriff «grüner Speck» sprang Pater Nau auf, würgte, presste sich die Hand vor den Mund und eilte nach draußen.
    Gustelies stand vor dem Herd, den Kochlöffel erhoben, und erklärte: «Ich wette, irgendjemand aus der Gemeinde hat ihm Plätzchen gebracht. Er wird während der Beichte die Dinger aufgegessen haben, und nun ist ihm schlecht.»
    Sie wandte sich an Hella. «Siehst du, Kind, das kommt davon, wenn man Plätzchen nicht wie ich mit guter Butter backt, sondern billigen grünen Speck dafür nimmt.»
    Sie sah durch die offene Küchentür in den Garten und beobachtete den Pater, der würgend über dem kleinen Misthaufen hing. «Na, ich kann mir schon denken, wer das war. Unseren Pater zu vergiften! Diesmal kommt sie mir nicht ungeschoren davon!»
    Bei dem Wort «ungeschoren» schrie Bernhard Nau auf und sank neben dem Misthaufen zu Boden.
     
    Am nächsten Morgen weckte Gustelies ihren Bruder so sanft, wie sie es vermochte. «Bernhard», flötete sie. «Bernhardlein, dein Morgenmahl ist fertig.»
    Pater Nau riss mühsam ein Auge auf. Als er Gustelies’ Gesicht so dicht vor seinem sah, fing er an zu zittern, zog sich die Bettdecke über den Kopf und wimmerte: «Nicht. Bitte nicht.»
    «Was soll das heißen?», wollte Gustelies wissen und riss ihm die Decke weg.
    «Ach, du bist es nur.» Pater Nau war sichtlich erleichtert.
    «Ja, ich bin es nur. Ich habe dir dein Morgenmahl gebracht. Frisches Laugengebäck, in warme Mandelmilch getunkt.»
    Pater Nau schüttelte den Kopf. «Ich mag nichts essen.»
    «Doch, du musst. Und sogar schleunigst – die Kirche wartet auf dich. Ich habe vom Fenster aus schon die ersten gesehen, die zur Morgenmesse gingen.»
    «Nein!» Der Pater schüttelte energisch den Kopf. «Ich gehe nicht in die Kirche. Nicht heute und nicht morgen. Nie mehr.»
    «Du bist Priester, deine Wirkungsstätte ist die Kirche!», erklärte Gustelies. «Und jetzt hoch mit dir.»
    «Nein!» Pater Nau sprach mit solchem Nachdruck, dass Gustelies aufhorchte. «Keine Macht der Welt bringt mich wieder in dieses Gemäuer.»
    Gustelies stand ratlos vor dem Bett. Behutsam streckte sie eine Hand aus und legte sie dem Pater auf die Stirn. «Du

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