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Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich

Titel: Die Verbrechen von Frankfurt. Totenreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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ersten Augenblick an «Söhnchen» genannt hatte, lag schlafend und leise schmatzend in seinem Arm. Behutsam strich er dem Kind mit dem Finger über die Wange. Er konnte noch immer nicht fassen, dass der schlimmste Albtraum seines Lebens vorüber und er einen Sohn bekommen hatte. Gerade mal einen Tag lang war es her, dass er Hella bewusstlos auf dem Boden vor dem Waldhaus gefunden hatte. Und nun lag sie bereits in den Wehen. Ausgerechnet heute, an ihrem eigenen Geburtstag, am sechsundzwanzigsten März.
    Gustelies ließ sich seufzend auf einen Schemel sinken, dabei den Kessel fest im Blick. «Wie lange dauert das da oben denn noch? Sie liegt seit Stunden in den Wehen! Wie gut, dass Minerva da war, als es losging. Und Gott sei dank hat Jutta die Hebamme gleich mitgebracht. Aber, Himmelnocheins, wie lange dauert das noch?»
    Jutta lächelte. «Ein Weilchen wirst du dich noch gedulden müssen, es ist schließlich ihr erstes Kind. Da fällt mir ein», sie wandte sich an Heinz, «habt ihr mittlerweile einen Namen für den Jungen?»
    Heinz sah verzückt auf das Söhnchen und schüttelte den Kopf. «Ich möchte ihn gern Fedor nennen. Das ist Russisch. Ein Pelzhändler, der immer zur Messe kommt, heißt so. Von ihm weiß ich, dass der Name ‹Geschenk Gottes› bedeutet. Und das Söhnchen ist ein Geschenk Gottes.»
    «Und was sagt Hella dazu?»
    Heinz lächelte. «Sie will abwarten, welches Geschlecht sein Geschwisterchen hat. Am liebsten wäre ihr wohl, sie könnte sie wie Zwillinge halten.»
    «Ich weiß nicht», gab Gustelies zu bedenken. «Es ist so Brauch, dass die Kinder den Namen der Eltern oder Großeltern bekommen. Aber diese neuen Moden greifen ja um sich. Ein jeder will nur noch einen ganz einzigartigen Namen. Ich fürchte, die Gustelieses dieser Welt sterben allmählich aus.»
    Pater Nau kicherte. «Gustelies ist ja auch kein Name», erklärte er und deutete mit dem Finger auf seine Schwester. «Du heißt ja nur so, weil deine Patentanten Auguste und Liesbeth sich durchaus nicht einigen konnten, sodass unser Vater schließlich den Streit beilegte, indem er dem Priester Gustelies vorschlug.»
    Gustelies verzog den Mund, aber Bruder Göck drängte sich vor und sprach: «Die Namenswahl ist allein Sache der Eltern.»
    «Da hörst du es!» Gustelies schenkte dem Antoniter ein schmales Lächeln. Sie hatte noch immer nicht vergessen, dass Bruder Göck am Fall des Mörders nicht beteiligt gewesen war, weil sich die Altardecke in seiner Kutte verfranst und der Mönch Angst gehabt hatte, der Abendmahlskelch würde ihm auf den Kopf fallen, wenn er unter dem Tisch hervorkroch.
    «Hat die Lilo schon ihr Kind?», unterbrach Jutta den drohenden Streit.
    Pater Nau und Gustelies nickten zur selben Zeit. «In der Nacht kam es. Es ist ein Junge. Er soll ihrem Liebsten wie aus dem Gesicht geschnitten sein. Und die Lilo hat Hella zur Patin bestimmt. Immerhin ist es ihr Verdienst, dass der Kleine und Lilo noch leben.»
    «Und was ist mit dem Stummen?»
    Blettner legte das Söhnchen in die Wiege und deckte es behutsam zu. «Stumm war der Mann nie. Er hat nur nicht mit jedem gesprochen. Vielmehr hat er nur mit denen geredet, die er anschließend umbringen wollte. Es hat sich herausgestellt, dass er das Kind einer Magd war, das uneheliche Kind. Er hat viele Jahre mit ihr auf der Straße gelebt, hat erlebt, wie sie verprügelt wurde, vergewaltigt. Ihm selbst ist auch oft Gewalt angetan worden. Als seine Mutter endlich starb, da war er gerade mal dreizehn Jahre alt. In die Hand hat er ihr versprechen müssen, sich um Frauen wie sie zu kümmern, ihnen beizustehen. Nun, und das hat er auf seine Art versucht.»
    «Nimmst du den Mörder damit etwa in Schutz?» Gustelies stand empört auf.
    Heinz schüttelte den Kopf. «Natürlich nicht. Ein Mörder ist ein Mörder. Aber mancher hat Gründe für sein Tun, die man nicht akzeptieren, gleichwohl aber zumindest ein bisschen nachvollziehen kann. Ich bin jedenfalls froh, dass er jetzt tot ist.»
    Die anderen nickten und schwiegen.
    Bruder Göck fragte schließlich: «Ob der Henker ihn wohl ausweidet und seine Innereien an den Apotheker verkauft? Und hat der Rat schon über das Schicksal des verrückten Alchemisten und seiner Tochter Minerva entschieden?»
    Blettner nickte, presste dabei seine Wange an die weiche Wange seines Söhnchens. «Minerva hat geholfen, den Mörder zu fangen. Und sie hat meine Hella befreit. Niemals würde ich zulassen, dass dieser Frau jemand ein Haar krümmt. Auch ihrem Vater

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