Die Verdammten der Taiga
Stein!« brüllte Putkin zurück.
»Dann wird es zäh wie eine Schuhsohle.«
»Auch Schuhsohlen sind knapp.«
Ihr Hohlköpfe, dachte Putkin. Wird ein Trick besser, wenn man ihn wiederholt? So harmlos könnt ihr gar nicht dreinblicken, um mich aus meinem Haus zu locken. Zurück, Semjon Pawlowitsch, sonst bekommst du's an der Lunge!
Morotzkij humpelte ins Haus zurück, dafür erschien wieder eine Viertelstunde später die Susskaja. Unbewaffnet, mit offener Bluse … sogar auf diese Entfernung erkannte er ihre strotzenden Brüste und dachte: Das Kind wird eine Mörderin zur Mutter haben. Was geht jetzt in Katja Alexandrowna vor? Was denkt sie? Ha, wie sie dasteht mit ihren kräftigen Beinen und dem Rock, der beginnt, sich über dem Leib zu spannen. Ihre Schenkel drücken sich durch den Stoff, das schwarze Haar weht im eisigen Wind … in keinem Märchen ist der Todesengel so schön wie die Susskaja.
»Schluß mit der Arbeit!« rief sie. »Man kann's übertreiben, Igor Fillipowitsch.«
»Ich habe keinen Hunger!« brüllte er. Seine Stimme klang heiser vor Angst. »Ich halte es hier noch aus!«
Dann legte er die Stirn auf die gefrorenen Stämme und begann heftig zu zittern. Diese Freundlichkeit, schrie es in ihm. Diese teuflische Freundlichkeit! In Bratenduft getauchte Einladung zum Sterben. Wie höllisch ist dieses Weib, wie höllisch! Er spürte wieder dieses stückweise Sterben in sich und drückte die Hände gegen seinen Mund, um die gurgelnden Laute aus seiner Brust zu ersticken.
Am Abend – Putkin saß in seinem halbfertigen Haus und starrte auf die in der Dunkelheit verschwimmende Blockhütte – kam plötzlich Nadeshna heraus und ging auf ihn zu. Er riß die Axt an sich und blickte ihr mit hochgezogenen Schultern entgegen.
Sie allein, dachte er. Wie will sie's wohl machen? Hat sie das Gewehr unter dem Mantel? Mutig, mutig, mein blondes Kätzchen … hat dir Katja Alexandrowna in den vergangenen Stunden das Schießen beigebracht? Eigentlich ist es ganz einfach: Anlegen, das Kinn fest auf den Kolben pressen, zielen, mir mitten zwischen die Augen, den Finger dort krümmen, wo der stählerne Haken ist. Schluß! Auch wenn du hinterher vom Rückstoß umfällst … du hast's geschafft, Nadeshna. Nur sag mir vorher noch eins: Was war das für eine Stunde, in der du mir den Nacken und Rücken zerkratzt hast und mich einen Hurenbock nanntest und keine Ruhe gegeben hast, bis ich zu dir sagte: Luderchen, verdammtes, jedes Fahrzeug, selbst der krüppligste Bauernwagen, hat eine Bremse. Zieh sie an, mein goldenes Teufelchen … Was war das für eine Stunde, he?
Nadeshna blieb im Eingang der halbfertigen, großen Hütte stehen und blickte Putkin lange und wortlos an. Ihre blauen Augen tasteten ihn ab.
»Was ist?« knurrte er.
»Der Braten ist so schön geworden, Igor …«
»Erstickt daran!« Putkin schnaufte tief auf. »Was ist? Worauf wartest du? Warum kommst du allein?«
»Die anderen essen.«
»Sie essen wirklich?« Putkin spürte das Hämmern seines Herzens bis unter die Kopfhaut. »Sie sitzen da und fressen, reißen mit den Zähnen das Fleisch von den Knochen, schmatzen und kauen, und du gehst hinaus und sie wissen es und essen weiter … Die Hölle ist ein Abstellplatz armseliger Lumpen gegen euch!«
»Komm –«, sagte Nadeshna und streckte Putkin die Hand hin. »Du hast doch Hunger, Igor …«
Er starrte auf ihre Hand und konnte dabei nicht verhindern, daß ein wildes Zucken über sein Gesicht lief. »So also töten Engel …«, sagte er ganz leise.
»Wer tötet?«
»Nicht so«, sagte Putkin dumpf. »Nicht auf diese widerliche Art. Kommt her und bringt mich standesgemäß um. Verdammt, habt den Mut, mich Auge in Auge zu töten. Aber nicht mit einem Braten in der Hand, das Maul von Fett triefend … nicht so … Ich bin ein ungeheurer Schuft … aber bei allem: Das habe ich nicht verdient!«
»Du hast Angst, Igor?«
Er sah Nadeshna an; ihr kindliches Gesicht mit den großen Augen unter den blonden Haaren, ihr schmaler Körper und die schlanken Beine wirkten so zerbrechlich, daß er nicht verstand, wie sie seine Kraft hatte überstehen können. Und noch weniger begriff er, daß dieses zierliche, wie gläserne Geschöpf ihn um den Atem und seine männliche Ausdauer gebracht hatte.
»Ja –«, sagte er langsam. »Verdammt ja – ich habe Angst. Macht endlich ein Ende.«
»Warum? Wir wollen nur mit dir essen, Igor.«
Putkin beugte sich vor. Jetzt hat sie ihr Ziel, dachte er. Meine Stirn liegt frei.
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