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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gingen, entdeckten den toten General.
    Bis zu jenem Vormittag, an dem Andreas wieder aus der Flugzeugkanzel kletterte, in der er das ›Fliegen‹ geübt hatte und sich nun bald zutraute, mit den Instrumenten zurechtzukommen. Putkin war nicht da … er war über den Fluß in den gegenüberliegenden Wald gegangen, um besonderes Holz zu holen. Bis jetzt hatte noch keiner von ihnen den zugefrorenen Fluß überquert … bis zur Mitte, wo sie Fischlöcher geschlagen hatten, war der weiteste Vorstoß gewesen. Der hochragende Wald auf der anderen Seite reizte sie nicht … er war tot, vereist, feindlich wie der Wald, an dem sie ihre Hütten gebaut hatten.
    Aber nun kam Putkin zurück, ein Stück Stamm über den Schultern, und Andreas bemerkte verblüfft, wie er den Schritt wechselte, einen Militärmarsch hinlegte, den Kopf ruckartig zur Seite riß und stramm grüßte. Dann trottete Putkin nach ein paar Schritten weiter, überquerte das Eis des Flusses und warf den Stamm vor seinem ›Kreml‹ in den Schnee.
    »Das ist ein Holz!« rief er zu Andreas hinüber. »Besser als Stahl. Das hänge ich über die Tür, und jeder, der in mein Haus kommt, kriegt es in den Nacken.«
    Er grölte sein gewaltiges Lachen, packte die Axt und hieb auf dem Stamm herum, daß die Späne herumsurrten wie Granatsplitter.
    Andreas ahnte etwas Schreckliches. Als Putkin im Inneren seines Hauses herumhämmerte, überquerte Andreas den Fluß und betrat zum erstenmal das andere Ufer. Es war flach, der Wald wuchs fast bis an den Fluß. Hier mußte seichtes Wasser stehen, weil die Strömung, aus dem Felsenspalt hervorschießend, nur die gegenüberliegende Bucht traf und sich in das Land fraß.
    Langsam ging Andreas den Spuren nach, die Putkin im tiefen Schnee hinterlassen hatte. Der Wald trat in einem sanften Bogen zurück – vielleicht war hier nach dem Wegtauen des Frostes ein Sumpfgelände? – und ließ ein freies Stück Erde wie eine Halbinsel in sich hineinragen.
    Und hier stand Waska Janisowitsch Serikow. Er lehnte, steif gefroren, an einem dicken Baum, aufrecht, eine Säule aus Eis, von den Klammern des Frostes festgehalten. Seine Generalsuniform war mit vereistem Schnee überstäubt, aber die breiten Schulterstücke leuchteten noch unter dem Reif hervor, das bleiche Gesicht blickte fast stolz über Fluß und Wald … aber das war es nicht, was Andreas einen Schauer über den Rücken jagte. Putkin hatte Serikow, bevor er ihn hier aufstellte und einfrieren ließ, die rechte Hand hoch an die Pelzmütze gehalten … so war sie erstarrt, und so stand der General Serikow grüßend in der Taiga, hoch aufgerichtet, und jedesmal, wenn Putkin an ihm vorbeiging, fiel er in einen Parademarsch und grüßte zurück.
    »Warum hat man bloß die Hemmungen«, sagte Andreas nachher zu Putkin. Sie standen sich in dem halbfertigen Haus gegenüber und belauerten sich wie zwei japanische Ringer. »Warum hält mich irgendein dummes Gefühl ab, dich umzubringen? Du bist kein Mensch mehr, Putkin, und auch jedes Tier hat mehr Herz als du. Ich werde Serikow morgen im Schnee verscharren …«
    »Du rührst ihn nicht an, Söhnchen –«, antwortete Putkin mit schwerer Stimme. »Andrej, rühr ihn nicht an. Er ist mein Denkmal. Wie er so dasteht, erinnert er mich jeden Tag daran, was wir zu erwarten haben, wenn wir aus dem Wald herauskommen. Bin ich an ihm vorbeimarschiert, dann bin ich immer glücklich, in der Taiga zu leben. Kannst du das verstehen, Hohlkopf?«
    Es war schwer, Putkin zuzustimmen … aber er verstand ihn. Wortlos verließ Andreas das Haus und ging hinüber zu seiner Hütte. Morotzkij führte Nadeshna und Katja gerade vor, wie sich Maruta an den geflochtenen Sattel gewöhnt hatte. Er platzte fast vor Stolz.
    Ich muß verhindern, daß Katja über den Fluß geht, dachte Andreas und blieb in einiger Entfernung stehen. Das Lachen der Susskaja, dieses dunkle, herrliche Lachen kam ihm entgegen. Sie darf es nie sehen, dachte er weiter. Diesmal wird sie Putkin erschießen, und keiner kann sie daran hindern, wie man den Sturm nicht daran hindern kann, die Blumen zu köpfen …

XXVII.
    Drei Wochen lang war es nicht möglich, daß jemand die Nase aus der Hütte steckte, geschweige, daß jemand Lust gehabt hätte, über den Fluß zum anderen Ufer zu gehen.
    Der Teufel schien in den Himmel gefahren zu sein und brachte nun die Natur völlig durcheinander. In der Nacht begann es ohne jedes Anzeichen. Plötzlich traf ein Windstoß das Haus, daß es in allen Fugen knirschte,

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