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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihn?« fragte Andreas plötzlich. »Wir bekommen mit unseren Werkzeugen kein Loch in die gefrorene Erde. Putkin, wie tief ist hier der Boden gefroren?«
    »Er ist immer gefroren, nur im Sommer taut eine Schicht auf. Der Frost geht metertief.« Putkin setzte sich auf den Tischrand und schob Serikows Beine zur Seite, weil sie ihm im Weg waren. »Freunde, Andrej hat recht. Wir bekommen das Generälchen nicht unter die Erde. Um ihm ein anständiges Grab zu machen, müßten wir mit Dynamit diesen Boden aufsprengen. Haben wir Dynamit? Was also tun? Macht Vorschläge, Genossen!«
    Es war Morotzkij, der einen ganz vernünftigen Gedanken hatte. »Wir können ihn im Fluß begraben«, sagte er. »Haben wir nicht Fischlöcher im Eis? Erweitern wir sie und schieben den General unter die Eisdecke …«
    »Nie und nimmer!« sagte die Susskaja laut. »Das lasse ich nicht zu. Erst erschießen, dann erschlagen, jetzt noch ersäufen … das ist zuviel.«
    »Er spürt's doch nicht mehr, mein Seelchen!« rief Putkin und tätschelte Serikow die Wange. Es war wieder einer jener Momente, wo man Putkin mit Wonne hätte erschlagen können. »Selbst Admiräle werden so begraben …«
    »Er war ein General!« sagte die Susskaja hart. »Er bekommt sein Grab in der russischen Erde.«
    »Dann leg dich drauf mit deinem heißen Leib und tau sie auf!« schrie Putkin. »Und wenn wir zehn Tage lang ein Feuer auf einem Fleck brennen lassen – wie tief kommt man dann wohl, he? Ich weiß es, ich habe in der Taiga nach Öl gebohrt, ich kenne diesen gottverfluchten Boden! Nach einer Handbreit ist's zu Ende.« Er sah den toten Serikow an und hob die breiten Schultern. »Genosse General, wir können Sie leider wegen technischer Schwierigkeiten erst nach der Schneeschmelze begraben …«
    »Und bis dahin?«
    »Der Fluß –«
    »Nein!« schrie die Susskaja. »Kein Wort mehr von dem Fluß!«
    »Dann frieren wir ihn ein.« Putkin richtete sich auf. »Warum soll ein General nicht auch so konserviert werden wie unsere Fleischvorräte?« Er verbeugte sich vor der Susskaja, die ihn haßerfüllt anstarrte. »Erlauben Sie, schöne Dame, daß ich den General hinaustrage? Wie heißt er überhaupt … stirbt dahin, ohne sich vorzustellen. Ein unhöflicher Mensch.«
    »Waska Janisowitsch Serikow, aus Irkutsk.«
    »Waska Janisowitsch!« Putkin legte die Hand an die Stirn. »Der Sergeant Putkin erlaubt sich, Sie zur ewigen Ruhe zu bringen.«
    »Gebt mir die Pistole«, sagte die Susskaja dumpf. »Ich halte es nicht mehr aus …«
    »Gehen Sie endlich!« schrie auch Morotzkij mit seiner hellen Stimme. »Sie perverses Schwein, Sie …«
    Putkin faßte Serikow unter, bettete ihn auf seine starken Arme und trug ihn hinaus. Andreas hielt die Tür offen, und als Putkin verschwunden war und die Tür wieder zufiel, lehnte die Susskaja den Kopf gegen die Hüttenwand und warf beide Hände vor ihr Gesicht.
    So saß sie eine ganze Weile, während alle schwiegen, bis sie spürte, daß jemand sie unentwegt ansah. Sie ließ die Hände fallen und blickte in Andreas' Augen. Er saß auf der Tischkante und rauchte eine selbstgedrehte Zigarette.
    »Warum fragst du nichts?« sagte sie leise.
    Er ließ den beizenden Rauch durch seine Nase fließen und schüttelte den Kopf.
    »Was sollte man da noch fragen?«
    »Ich habe Waska deinetwegen verlassen, Andruscha.«
    Morotzkij winkte hinüber zu Nadeshna. Sie verstand, warf den Pelz um sich, und sie verließen so leise das Haus, als schlichen sie sich von einem Kranken weg.
    »Du hast ihn geliebt?« fragte Andreas.
    »Nicht so wie dich. Bevor du kamst, wußte ich nicht, was Liebe ist. Ich nannte es nur Liebe, wie ein Kind den Mond bewundert, weil es nicht weiß, daß er seinen Glanz von der Sonne bekommt. Als ich dich sah, wurde Waska nur noch ein Name …«
    »Und jetzt?«
    »Habe ich ihn nicht getötet, um dich zu retten!«
    Ihr Kopf sank nach vorn. Andreas fing ihn auf, küßte ihre geschlossenen Augen, hob sie dann hoch und trug sie hinüber zur Ofenbank. Dort legte er sie nieder, küßte ihren nackten Körper, legte seinen Kopf auf ihre Brüste, und so warteten sie schweigend, bis zuerst Morotzkij und Nadeshna und später auch Putkin zurückkamen.
    »Er hat einen schönen Platz –«, sagte er und schüttelte die Eiszapfen aus seinem Bart. »Mit Blick über den Fluß und zu den Felsen. Katja Alexandrowna, sei zufrieden: Er hat Rußland vor sich liegen –«
    Putkin war ein Saustück von Mensch … das zeigte sich in den nächsten Tagen

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