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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sturmes draußen vor der Tür wieder mit dem typischen Rumoren eines Menschen, wie es Putkin war.
    »Er kommt«, sagte die Susskaja. »Er wird ein Eiszapfen sein, der Dickkopf.«
    »Der Tee ist fertig!« rief Nadeshna vom Herd. »Ein Schuß Wodka ist auch drin.«
    Die Tür flog wieder auf. Zunächst wehte ein Vorhang von Schnee ins Haus, die eindringende Kälte bildete sofort einen Nebel, als sie gegen die Hitze prallte, die Gewalt des Windes machte sich Platz, stürmte in den Raum und überfiel alle mit einem eisigen Schlag. Dann tauchte aus dem Nebel ein Kopf auf … nicht der von Putkin, sondern ein dicker, eisbehangener Schädel mit Glotzaugen, langen Nüstern, ebenso langen Ohren, Eisfäden hingen wie Lametta an dem dicken Hals, und von hinten erschien jetzt Putkin, ein Riese aus Schnee und Haaren, drückte und hieb mit der Faust auf das Hinterteil dieses Wesens und brüllte: »Vorwärts! Vorwärts! Du dämliches Vieh … rouh-rouh-rouh –«
    »Maruta –«, stammelte Morotzkij. Er breitete die Arme aus, als laufe ihm eine Geliebte entgegen. »Er hat Maruta geholt –«
    Die Tür krachte zu, Putkin verriegelte sie, gab Maruta noch einen Tritt in den Hintern und lehnte sich dann erschöpft an die Wand.
    »Da haben Sie Ihre fette Sau, Semjon Pawlowitsch!« sagte er schweratmend. »Ein Seelchen nennt er das Aas! Ein sensibles Lämmchen! Nicht aus dem Pferch wollte es, hat sich gewehrt und ging auf mich los, um mich zu beißen. Aber ha, mich beißen! Ich habe ihr eine Ohrfeige gegeben, und da wurde sie kusch. So geht man mit den Weibern um!«
    »Igor Fillipowitsch, das vergesse ich Ihnen nie«, stammelte Morotzkij. »Sie haben Maruta gerettet. Wie soll man sich in Ihrer Seele auskennen?«
    Er umarmte die Elchkuh, drückte den dicken vereisten Kopf, der jetzt auftaute, an sich, streichelte den gewaltigen Körper, an dem das Wasser herabrann, als habe Maruta einen Strom durchschwommen, und küßte sie sogar auf die geblähten Nüstern. Die Elchkuh hielt still, stand wie ein Denkmal mitten im Zimmer, unbeweglich, anscheinend überwältigt von der Wärme und der Gegenwart so vieler Wesen, die ihr zu fressen gaben und sie gleichzeitig ohrfeigten. Nur die Ohren spielten nach vorn und nach hinten, und die Glotzaugen betrachteten abweisend Andreas, die Susskaja, Nadeshna und vor allem Putkin. Lediglich Morotzkij duldete sie … er war wie ein Verblödeter, sprang um sie herum, wischte sie mit einem aufgetrennten Sack ab, putzte ihr das Gesicht, klaubte die Eiszapfen aus ihrem Fell und tätschelte ihr immer wieder den Hals.
    »Es ist anzunehmen –«, sagte Putkin, schälte sich aus dem steif gefrorenen Pelzmantel, stellte ihn an die Wand und ließ ihn dort langsam auftauen, »daß Semjon Pawlowitsch heute nacht mit Maruta schläft. In diesem Falle, Nadeshna Iwanowna, empfehle ich mich Ihnen als potenter Ersatz.«
    Und Nadeshna lachte laut, brachte ihm einen großen Becher Tee, und schon auf Entfernung roch Putkin den Wodka darin. Als er den Becher nahm, griff er auch – ganz zufällig natürlich – nach Nadeshnas Hand und hielt sie fest. Ein Griff wie eine stählerne Klammer, aus der man sich nicht befreien konnte. Aber Nadeshna hatte auch gar nicht die Absicht, sich loszureißen.
    »Eine Portion Lebenswässerchen –«, sagte Putkin mit einer Stimme, deren Zärtlichkeit so greifbar war, daß die Susskaja die Brauen hochzog. »Hat die schöne Dame Jekaterina es erlaubt und freigegeben?«
    »Über die Küche regiert Nadeshna allein«, sagte die Susskaja. »Der Wodka ist eine Sonderzuteilung aus der eisernen Reserve.«
    »Ich bedanke mich.« Putkin ließ Nadeshnas Hand los, nahm einen vorsichtigen Schluck des herrlich duftenden, glühheißen Tees, rollte ihn im Gaumen herum und schluckte ihn erst dann hinunter mit einer sichtbaren Wonne. »Ich kann nicht antworten mit einem Gebet, aber ich sage: Es würde selbst einen taubstummen Bock wieder zum Meckern bringen.«
    Später hockte er auf der Ofenbank, ließ sich aufwärmen, trank den Wodka-Tee mit lautem Schmatzen – Eßmanieren konnte man von Putkin wirklich nicht erwarten – und sah Morotzkij zu, der noch immer mit seiner Elchkuh beschäftigt war. Er rieb sie, jetzt wo sie aufgetaut war, ab, sprach mit ihr in einer röhrenden, für menschliche Ohren ziemlich dämlich klingenden Lautsprache, und Maruta, dieses gewaltige Tier der Taiga, schien ihn zu verstehen, legte ihre Scheu ab, blies Morotzkij mit halb geöffneter Schnauze an und wackelte fröhlich mit den

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