Die Verdammten der Taiga
Ohren.
»Ich werde sie in das kleine Nebenzimmer stecken«, sagte Morotzkij und trank auch ein paar Schlucke von Nadeshnas starkem Teegebräu. Er hustete, starrte Nadeshna entgeistert an, trank weiter und bekam einen roten Kopf. Kurz danach schwitzte er, seine Augen bekamen einen hellen Glanz und sein Schritt wurde unsicherer. Der heiße Wodka begann, in seinem Hirn zu kreiseln. »Wer hat etwas dagegen, frage ich?«
»Keiner!« rief Putkin. »Aber viel bewegen kann sie sich dort nicht. Und kalt ist es auch.«
»Wir werden die Tür offen lassen.«
»Auch ein so goldiges Schätzchen wie Maruta muß pissen und scheißen!« rief Putkin. »Wohin damit? Sollen wir in einer Kloake schlafen?«
»Ich werde alles wegwischen«, sagte Morotzkij glücklich. Er schwankte um die Elchkuh herum, küßte sie wieder auf die Nüstern und kraulte sie zwischen den Augen. »Was heißt hier stinken? Seit Sie im Hause sind, Igor Fillipowitsch, haben wir uns an Gestank gewöhnt …«
»Man soll nie Gutes tun –«, knurrte Putkin, aber es klang nicht böse. Morotzkij war betrunken, lehnte an seiner Elchkuh und sang ihr rouh-rouh in die wackelnden Ohren. »Nadeshna, diese ganze christliche Nächstenliebe ist ein Mist. Was handelt man sich dafür ein? Einen Hagel von Ohrfeigen. Wie sinnvoll ist da der Kommunismus. Sein Zeichen ist die gehobene geballte Faust … das ist etwas Reales, das versteht jeder, da weiß jeder, woran er ist. Kraft und Energie, Mut und Unbeugsamkeit, das ist es, womit man eine schlappe Welt wieder auf die Beine stellen kann.«
Putkin wartete auf ein Echo, aber sie waren alle zu müde, um mit ihm zu diskutieren. Der Wodka in dem Tee – oder war's ein bißchen Tee im heißen Wodka – hatte sie träge und ziemlich albern gemacht. Sie fütterten Maruta mit dem Moos, das sie zum Ausstopfen der Wandritzen gesammelt hatten, lachten über jeden Satz, den irgendeiner von ihnen sprach, wie über einen zotigen Witz, und Morotzkij wurde zu einem Clown, tanzte um seine Elchkuh herum und sang dabei Studentenlieder, die zu der Zeit, als er die Universität besuchte, verboten gewesen waren. Schließlich fiel er einfach um, legte sich auf die Eckbank und schlief ein. Putkin führte die etwas verstört blickende Maruta ins Nebenzimmer, hatte Mühe, die Tür zu schließen, und sagte dann: »So ab und zu einen Wodka, das hebt die Psyche. Sie sollten in kritischen Situationen immer ein paar Schlucke verteilen, Katja Alexandrowna. Sie als Ärztin müssen doch wissen, wie wichtig ein Stimulans ist.«
»Ich bin erschüttert, daß Sie es überhaupt aussprechen können«, antwortete die Susskaja. Sie lag schon auf dem Ofen, nackt wie stets, und ordnete das Lager für Andreas. Nebenan keilte Maruta aus, bumste gegen die Wände und die Tür und hatte das Bedürfnis, sich aus der Enge zu befreien. Es schien so, als habe sie sich draußen in der Freiheit wohler gefühlt, trotz Schneesturm, Vereisung und durchdringendem Frost.
»Das wird eine schöne Nacht«, brummte Putkin. »Semjon Pawlowitschs Seelchen wird das ganze Haus demolieren.«
Er rollte sich wieder in seinen getrockneten Pelz und tat so, als sei er sofort eingeschlafen. Aber er blieb wach, sah hinüber zu Nadeshna, die allein unter ihrem Fell lag und darauf verzichtete, den betrunkenen Morotzkij zu sich zu holen. Es war seit Wochen das erste Mal, daß sie allein schlief. Sie trug nur ihr Unterhemd, am Hals bogenförmig ausgeschnitten, und wenn sie sich hinsetzte, um noch einen Kloben in den Ofen zu schieben, leuchtete das Feuer über den Ansatz ihrer weißen, kleinen, aber festen Brüste und über ihren Hals, der sich biegen konnte wie der eines Schwans.
Putkin starrte sie unentwegt an. Sein Herz war schwer. Nur drei Meter lagen zwischen ihm und Nadeshna, aber oben auf dem Ofen lag die Susskaja, und sie sah und hörte alles, dieses schwarze, schöne Aas. Er seufzte, hob den Kopf, und Nadeshnas Blick prallte mit dem seinen zusammen. Es war wie eine Explosion, die zurücksprang in ihre Seelen.
Wenn das so weitergeht, dachte Putkin grimmig, wird Morotzkij kein langes Leben haben. Das sind mörderische Gedanken, zum Teufel ja, aber kann einen diese Frau nicht um den Verstand bringen? Malt Marien mit schiefen Brüsten, schnitzt Krippenfiguren, betet jeden Morgen: Dank dir, Gott, daß die Sonne wieder scheint … aber im Leib hat sie den Satan und behängt ihn mit Priestergewändern! Wie kann ein Mann da vernünftig bleiben?
Sie sahen sich lange wortlos an, und es war eine
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