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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zerbarst alles im Frost. Man sah es an den kleinen Uferstellen, die der Sturm vom Schnee freigefegt hatte … dort riß die Erde auf, und jeder Riß war begleitet von einem leisen, knallenden Knirschen. Der Boden schrie … Sibiriens Erde weinte.
    »Katja erwartet ein Kind, das weißt du …«
    »Jeder Mensch wird von den Problemen erwürgt, die er sich selbst an den Hals hängt.« Putkin griff in die Tasche seines Mantels, holte Serikows Tabaksbeutel hervor und drehte sich eine Zigarette. »Ich habe angeboten, dir einen Knoten reinzumachen.«
    »Es wird eine Möglichkeit geben, daß wir alle herauskommen«, sagte Andreas, aber es klang nicht sehr überzeugend. »Wir wollen uns nicht auf die Zahl drei festlegen.«
    »Bist du ein Ingenieur? Hast du rechnen gelernt, he? Du weißt genau wie ich, wo die Grenze der Tragkraft dieser kleinen Maschine liegt. Das ändert sich nicht, indem man wartet.«
    »Das Flugzeug, Putkin, ist eine neue Variante unseres Wegkommens. Weiter nichts. Hast du jemals damit gerechnet, daß wir ein Flugzeug haben könnten? Wir hatten andere Pläne.«
    »Wir hatten gar keine Pläne, kleiner Idiot.«
    »Eben!«
    »Aber nun ist es da, das Flugzeug. Vom Himmel gefallen. Ob es euer Gott oder mein Satan geschickt hat, das wird sich herausstellen, wenn es eingesetzt wird.«
    »Ist das eine Drohung, Igor Fillipowitsch?« fragte Andreas heiser.
    »Nimm es, wie du es hörst.«
    Putkin steckte die Zigarette an, machte drei tiefe Züge, hielt sie Andreas hin und stapfte dann zurück zu seinem Haus, das jetzt ein mächtiger Schneeberg war.
    Andreas rauchte hastig weiter. Man wird diesen Menschen nie verstehen, dachte er. Er sagt einen Mord voraus und bietet seinem Opfer eine Zigarette an. Oder will er Katja umbringen und das Kind? Irgend etwas wird er tun, wenn er seine Million Rubel in Goldkörnchen aus dem Fluß gewaschen hat. Da gibt es nur eine Chance – ihm zuvorkommen. Im Frühling oder im Sommer wagen, nachts mit dem Flugzeug zu starten.
    Im Sommer.
    Wer dachte jetzt schon an den Sommer?
    Nach Morotzkijs Kalender mußte es Mitte Februar sein. Vielleicht auch Ende Februar. Bis Mai blieb der Schnee liegen, krallte sich der Frost in Bäume und Boden fest. Bis Mai … und im Juli mußte Katjas Kind zur Welt kommen.
    Andreas rauchte so erregt weiter, daß er sich die Finger verbrannte nach einem langen Zug, der die Zigarette wie Schnee auf der Ofenplatte wegschmelzen ließ. Er schüttelte die Hand und steckte den verbrannten Finger in den Mund.
    Das Kind.
    Auf dem Tisch vor der Eckbank würde es geboren werden. Nadeshna würde heißes Wasser bringen, Putkin große Reden loslassen und Morotzkij die Geburtshilfe übernehmen. Davon hat er als Verhaltensforscher Ahnung … er hatte schon bei Hunderten Tieren die Geburten unterstützt, er würde es auch bei Katja können. Für ihn, Andrej, blieb nichts übrig, als Katjas Hand zu halten.
    »Putkin will zwei von uns umbringen, wenn es nötig ist«, sagte er am Abend zu der Susskaja. »Das Flugzeug trägt nur drei Personen …«
    »Ich weiß.« Sie lächelte und kämmte sich ihr langes, schwarzes Haar durch. Sie hatte es gewaschen, und nun flog es um ihren Kopf wie gesponnene Seide. »Er rechnet zuviel, Andruscha. Sollen wir uns jetzt schon Gedanken darüber machen? Wieso denkt Igor Fillipowitsch, daß er im Sommer mit dem Flugzeug davonkommen kann?«
    »Es steht ja draußen am Fluß.«
    »Und wie will er im Sommer mit den Schneekufen starten?« sagte sie fast heiter. »Ihr seid mir die rechten Ingenieure. Andrej, mein Liebling, die große Stunde, der letzte Kampf, hat noch nicht begonnen. Warum schon darüber reden? Ich weiß, wie verwundbar Putkin ist.«
    »Er wird zur Bestie werden, wenn er Nadeshna ganz für sich hat.«
    »Sicherlich. Aber Bestien schießt man ab.«
    »Das sagst du so leicht daher …«
    »Wir werden ein Kind haben, Andrenka. Ein schönes kräftiges Kind. Ich fühle, wie es von Tag zu Tag wächst. Unser herrliches Kind.« Sie legte den Kamm weg, nahm die Haare nach hinten und band sie mit einem Strick im Nacken zusammen.
    »Glaubst du nicht«, sagte sie zärtlich, »daß ich für mein Kind einen Putkin töten könnte? Du kannst es auch, Andruscha … Du kannst die halbe Welt zerstören, wenn du dein Kind auf den Armen wiegst … Was ist ein Putkin gegen unser Kind?«

XXVIII.
    Man kann sich auch an Einsamkeit gewöhnen, so unglaublich das ist. Die Tage gingen herum, als tickten die Uhren schneller oder die Erde hätte begonnen, einen rasenden

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