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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Teufel, schrei doch …«
    Die erste Preßwehe, gewaltig, den Körper durchschüttelnd, Schweiß austreibend, an der Grenze des Erträglichen. Die Susskaja stöhnte laut und schlug mit dem Hinterkopf auf das Fell, auf dem sie lag.
    Andreas kniete an ihrer anderen Seite und starrte Putkin an, der ihren Leib massierte. »Du bringst sie um«, stammelte er. »Du bringst sie ja mit deinen Händen um!«
    Er flößte Katja den Tee ein, zwang sie dann, ein großes Stück der gepreßten Teeplatte zu kauen, und küßte ihre flatternden Augen, als neue Wehen ihren Körper fast vom Boden hoben.
    »Die Tücher her!« knurrte Putkin. Er schob sie unter Katjas Gesäß, lächelte sie an und nickte ihr zu. »Ich hab' es ihm erklärt –«, sagte er. »Aber er glaubt es nicht. Es ist wie bei einer Kuh … man muß nur warten können …«
    »Du Scheusal!« keuchte die Susskaja, aber ihre Augen wurden ruhiger. »Du mistiger Bock … du Hurenbastard …«
    »Nur weiter, weiter so, mein Engelchen … Das gibt Luft. Soll ich dir mit schönen Ausdrücken aushelfen? Ich kann garantiert mehr als du …«
    So ging es weiter … eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. Draußen rauschte der Regen, trommelte auf das Dach, quoll die Erde auf und saugte sich voll, bis das Wasser aus dem Himmel mit dem Eis im nie ganz auftauenden Boden aufeinanderprallte. Da ging es nicht mehr weiter, und die Taiga wurde ein einziger Sumpf.
    Katja Alexandrowna war ruhiger geworden. Der Wundertee Kyrills wirkte, die Schmerzen wurden überdeckt von dem betäubenden Extrakt, aber die Wehen stießen noch immer durch den Körper und preßten dem Kind den Ausgang frei zum Licht der Welt.
    Putkin und Andreas knieten zwischen Katjas angezogenen und gespreizten Beinen und massierten ihren Leib. Hände und Arme klebten vom Fruchtwasser, und als plötzlich ein Blutstrom aus Katja hervorbrach, wurde Andreas bleich wie ein Tuch und schwankte.
    »Halt die Beine fest, du schlaffer Sack!« schrie Putkin. »Es kommt! Es kommt! Da ist der Kopf. Siehst du ihn? Sie hat kein zu enges Becken! Sie kriegt es wie jede andere Frau. Katja! Hörst du mich? Es ist da! Ha, bist du eine miserable Ärztin! Ein zu enges Becken! Es reicht vollkommen aus. Drück, mein Engelchen, drück …«
    Der Kopf trat hervor, ein blutiges, schleimiges Gebilde. Andreas faßte es vorsichtig und zärtlich mit seinen Händen, um die er warme Tücher gewickelt hatte, und zog langsam, bis die winzigen Schultern hervorkamen, dann der Leib, die Beinchen und dann, mit einem letzten Ruck, der ganze kleine Mensch. Er hielt ihn auf seinen Händen, starrte ihn an und das Wissen: Das ist mein Kind … war so überwältigend, daß er zu zucken begann und lautlos weinte.
    »Ein Mädchen –«, sagte Putkin laut und lachte Katja zu. »Andrej, flenn nicht! Es ist ein Mädchen. Und schwarze Haare hat es wie Katjenka. Keine deutschen blonden! Gelobt sei Gott: Es ist eine echte Russin!«
    Er nabelte das Kind ab und tat das so geschickt mit Klemmen und Skalpell, als hätte er nie etwas anderes getan. Dann nahm er das Neugeborene Andreas aus den Händen, trug es zum Tisch, wusch es mit warmem Wasser, packte es an den Füßen, ließ es nach unten hängen und klatschte ihm auf den runden Hintern.
    »Er bringt es um!« brüllte Andreas und sprang auf.
    »Bleib da!« brüllte Putkin zurück. »Kümmere dich um die Nachgeburt, du Idiot! Sie wird dir ähnlich sehen.«
    Plötzlich war völlige Stille im Raum. Putkin schwieg, Andreas sank wieder in die Knie, und Katja hob etwas den Kopf, noch am ganzen Körper zitternd, aber doch in einer seligen Befreiung schwimmend.
    Ein Schrei! Ein heller, kräftiger Schrei. Ein gesunder Schrei aus einer sich weitenden, kleinen Lunge.
    Ein neuer Mensch war auf der Welt. Erst jetzt war er vollkommen.
    »Wie schön sie schreit –«, sagte Katja schwach. Ihre schweißnassen Hände tasteten nach Andrej. Sie lag zwischen Blut, Tüchern, Nabelschnur und Fruchtwasser und lächelte das unendliche Glück aller Mütter. »Hör sie dir an, unsere Amalja … hör sie nur … Andrejuscha, ich liebe dich –«
    Auf dem Tisch wickelte Putkin das Kind in ein warmes Tuch. Noch nie hatte jemand den Riesen so zärtlich gesehen.

XXXIII.
    Der Sommer kam.
    Das hört sich so harmlos an, das klingt nach Sonne, Wärme, Blütenduft, reifenden Früchten, Sonnenblumenfeldern und Rosenbeeten, wogendem Korn und süßem Nichtstun.
    Sommer. Wer weiß, was ein Sommer in der Taiga ist? Sagt man sonst auch Winter, dann verbinden sich

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