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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verrücktesten Taten.
    »Igor Fillipowitsch …«, sagte Andreas vorsichtig.
    Putkin zuckte mit den dicken Augenbrauen. Das Blut an seiner Hand trocknete langsam.
    »Halt's Maul, Söhnchen!«
    »Man kann es auch anders sehen. Nadeshna und Semjon Pawlowitsch haben eine menschliche Siedlung erreicht und Maruta zurück in die Freiheit geschickt.«
    »Morotzkij? Nie! Für ihn war Maruta wie ein Kind.« Putkin starrte wieder auf seine Hand; das Blut, nun eingetrocknet, klebte auf der Haut, bekam Risse und fiel in kleinen Körnchen ab. »Ich will dir sagen, was geschehen ist: Man hat sie überfallen und ausgeraubt … Man hat sie einfach abgeschlachtet.«
    »Igor Fillipowitsch, sie hatten doch nichts bei sich …«
    »Hatten sie nicht?« brüllte Putkin auf. »Sie hatten, Söhnchen! Ich habe Nadeshna meinen ganzen damaligen Goldanteil mitgegeben. Ein pralles Säckchen voll Goldstaub und Körnern! Ein Wert von 10.000 Rubeln vielleicht. Das lohnt sich, ha, und wie sich das lohnt für einen armseligen Jakuten oder schiefmäuligen Nerzjäger.«
    Er begann wieder zu stöhnen, als zerschneide man ihn bei lebendigem Leib, lehnte sich an den Ofen zurück, legte die blutige Handfläche gegen sein Herz und stierte an die Decke. Hier zu sitzen und nichts zu wissen und gar nichts tun zu können, war für ihn das Fürchterlichste. Er war in der Stimmung, ganze Jakutendörfer auszurotten, jeden Fremden, dem er jetzt in der Taiga begegnen würde, einfach den Schädel einzuschlagen mit der Begründung: Du kannst es gewesen sein, wer weiß es? Du wirst es nie sagen, ich werde es nie erfahren, darum hinweg mit dir! Je länger er hier saß, um so gewaltiger wurde sein Rausch nach einer schrecklich ungehemmten Rache. Aber er konnte nichts tun, er konnte nur herumsitzen, die Hand wie ein Heiligenbild beim Osterfest vor sich hertragen und in seinem Inneren mit qualvoller Stimme den Namen Nadeshna rufen.
    Seien wir ehrlich: Kann ein Mann daran nicht zerbrechen?
    Die Susskaja kam vom Pferch zurück. Ihr Gesicht war sehr ernst … sie brauchte eigentlich kein Wort zu sagen, man las alles an ihren Augen ab.
    Putkin schob den dicken Schädel vor. Seine wulstigen Lippen zitterten.
    »Was … was ist es, Katja Alexandrowna?« fragte er heiser.
    »Eine Wunde. Eine Schußwunde. Hier –« Sie öffnete die Hand. Eine Gewehrkugel schimmerte metallen auf. »Ich habe es mit der Pinzette aus Marutas Nacken geholt. Es gibt keine Zweifel mehr.«
    »Ich rotte sie aus!« sagte Putkin dumpf. »Ich rotte die ganze Menschheit aus mit Ausnahme von euch beiden. Ich werde der größte Massenmörder aller Zeiten werden. Das schwöre ich.« Er sprang auf, tauchte die blutige Hand in den Wassertopf und wusch sie ab. »Jeder Mensch, der mir ab heute über den Weg läuft, wird getötet! Ohne ihn zu fragen, ohne zu diskutieren … er wird einfach getötet.«
    »Du bist verrückt, Igor Fillipowitsch!« sagte Andreas laut.
    »Ja. Ich bin verrückt. Ich will verrückt sein!« Er starrte die Gewehrkugel auf Katjas Hand an, schlug darunter, daß sie hochflog, gegen die Decke prallte und dann irgendwohin rollte. »Sie haben Nadeshna umgebracht … wie kann ich den Menschen das vergessen?«
    Er tappte hinaus, ging hinüber zu Maruta und betrat den Pferch. Die Elchkuh, von der Kugel befreit, kam zu ihm und rieb die Nüstern an seiner Schulter. Da begann Putkin laut zu heulen, wie ein angeschossener Wolf, der sich ins Gebüsch schleppt, um dort zu sterben.
    Man brauchte nicht lange zu warten, um Igor Fillipowitschs Mordlust zu befriedigen.
    Am Fluß tauchten Menschen auf.

XXXIV.
    Dort, wo seit Entstehung der Welt nie ein menschlicher Fuß durch die Taiga gegangen war, wo die Natur so unberührt war wie am siebten Schöpfungstag, wimmelte es plötzlich von Menschen. Aber sie kamen nicht, um den drei Verdammten um den Hals zu fallen, sie brüderlich zu küssen und zu rufen: »Freut euch, Genossen! Eure Zeit der Einsamkeit ist vorbei! Seht, wir holen euch ab! Wir haben euch endlich gefunden, Morotzkij und die Lehrerin Abramowa haben uns den Weg erklärt, vorbei ist's mit dem Robinsonspielen, das schöne Leben geht weiter!« O nein! Sie tauchten wie große Schatten zu beiden Seiten des Flusses auf, auf kleinen, schnellen, fast gelben Pferdchen, die schlitzäugigen Köpfe an den Hals der Gäule gedrückt, zusammengehockt im Sattel, und sie schrien grell, galoppierten über die aufstaubende Erde und schossen vorbei auf die beiden Hütten.
    Andreas hatte sie zuerst gesehen. Er stand am

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