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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schöne Gedanken mit ihm, Schneeflöckchen, Schlittschuhlaufen, Skiwanderungen, kalte klare Sternennächte, Glöckchengebimmel an fröhlichen Schlitten … aber was ein Winter in der Taiga ist, das wissen wir jetzt. Mit dem Sommer ist's nicht anders. Erstarrt im Winter die Taiga im Frost, dann wird sie im Sommer gebraten wie ein Ei in der Pfanne. Das Land wird pulvertrocken, die Äste fallen von den Bäumen, beraubt allen lebenden Saftes, und was der Frost nicht geschafft hat, erreicht die Sonne: Der Wald kämpft wieder um sein Überleben, und dieses Mal mit weniger Chancen.
    Man hat viel darüber philosophiert, wo das Geheimnis der russischen Seele liegt … sie bleibt kein Geheimnis, wenn man die Taiga kennt. In dieser grandiosen, sich ständig gegen den Himmel wehrenden und doch immer wieder den Himmel anbetenden Natur muß auch der Mensch seine Kräfte aus dem Zwiespalt schöpfen.
    Sommer in der Taiga.
    Da schwirren aus den sumpfigen Niederungen Myriaden Mücken über das Land, entzünden sich Waldgebiete von der Größe europäischer Staaten, und keiner weiß, woher es kommt. Alles lebt nur von dem Wasserreichtum der Flüsse, diesem Segen Gottes, der durch Sibirien die größten Ströme der Erde fließen läßt.
    Putkins Goldgewinnung war fast ein Märchen. Er schaufelte tonnenweise Sand und Geröll in seine Wasserrutschen, und unten hockte Andreas und klaubte aus den Sieben und dem trüben Waschwasser die kleinen Goldkörner heraus … jeden Tag fast eine Handvoll. Ein schier unbegreiflicher Reichtum.
    Katja ging wieder auf die Jagd, wenn sie Amalja gestillt hatte. Sie hatte viel Milch, ihre Brüste waren herrlich straff und prall voll Leben. »Ein Urweib!« sagte Putkin anerkennend. »Wahrhaftig, ein Urweib! Und so etwas bleibt bei dir hängen! Es ist wirklich eine Schande für das ganze sowjetische Volk!«
    Grob geschätzt hatten sie Ende August – nach Morotzkijs Strichkalender, den nun Andreas weiterführte – Gold im Wert von fast hunderttausend Rubel in den Fellsäcken. Was flußabwärts noch in Sand und Geröll verborgen lag, war gar nicht abzuschätzen.
    »Wer ist im Westen der reichste Mann?« fragte Putkin, nachdem Andreas nach den bisher abgetragenen Tonnen Erde eine Art Hochrechnung versuchte, um sich an den Zahlen zu berauschen.
    »Getty. Oder Onassis. Oder die arabischen Ölscheichs. Oder Gulbenkian. Es gibt viele, Igor.«
    »Alles Zwerge! Alles Stiefelpisser!« Putkin machte eine weite Armbewegung über Fluß und Wald. »Die reichsten Männer heißen Putkin und Herr! Los, rechne weiter, ich will mit den Millionen jonglieren …«
    Am Abend nannte Andreas eine Zahl, die Putkin fast umwarf. Er stierte Andreas an und nahm ihm den Zettel aus der Hand. »Phänomenal!« sagte er leise. »So viel kann man in einem einzigen Leben nicht versaufen und verhuren. Ich muß einen Erben zeugen! Warum hat Nadeshna das nicht eingesehen?«
    Es war das erste Mal nach Monaten, daß er ihren Namen wieder nannte. Es bewies, daß er noch immer an sie dachte. Sie saß in seinem großen Herzen wie ein festgeklemmter goldener Bluttropfen.
    »Um dieses Gold wegzubringen, müßten wir einen Zug mit vier Güterwagen haben«, sagte Andreas und zerriß die Rechnung. »Verstehst du nun, Igor, wie sinnlos das alles ist, was wir hier machen? Wir sitzen auf Goldbergen und können nichts damit anfangen. Wir können nur soviel mitnehmen, wie wir tragen können. Und dieses Ziel haben wir längst überschritten.«
    Putkin verstand ihn sofort. Mit schief geneigtem Kopf sah er Andreas lange an.
    »Du willst weg?«
    »Willst du graben und sieben, graben und sieben, um die Goldhaufen um die Bäume zu legen? Jede Hilfe von anderen alarmiert die Behörden. Du kennst eure Gesetze besser. Was wir hier ausgraben, ist sowjetisches Gold, es gehört dem Sozialismus. Mit jedem Griff in die eigene Tasche werden wir Verbrecher, Igor Fillipowitsch. Wir haben bereits 25 Jahre Straflager auf dem Buckel …«
    Putkin gab keine Antwort. Er lief hin und her, trat wütend gegen seine geniale Goldwaschmaschine, lehnte dann lange Zeit an den Rutschen und starrte über den sonnenglitzernden Fluß. Als er zurückkam zu Andreas, der noch einmal mit Baumharz die Schwimmer strich – das heiße Harz im Kessel über dem offenen Feuer stank grauenvoll – und das Flugzeug pflegte, als müsse es bei einer Parade vorgeführt werden, war sein breites Gesicht von einer geradezu kindlichen Hilflosigkeit. Der Bart wucherte wieder überall um seinen Kopf herum … seit

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