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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schuß muß sein Ziel treffen! Hundert Schuß für sieben Monate! Nadeshna! Wenn der erste Schnee fällt, dürfen Sie noch einmal beten, daß uns kein Wolfsrudel in den Weg läuft.«
    Sie schlugen das Lager auf, sammelten große Steine und bauten eine funkensichere Feuerstelle, denn das trockene Unterholz würde wie Zunder brennen, hoben dann den armen Benerian vom Wagen und legten ihn mit seinen gefesselten Händen unter die aufgespannte Zeltplane. Morotzkij, der die erste halbe Stunde zu nichts zu gebrauchen war, nicht einmal zum Steinesammeln, öffnete die Konserven mit Zange und Meißel und trug sie zu Nadeshna, die an einem Eisenstab den Kochtopf aufhing, den Andreas vor zwei Tagen aus einem durchgeschnittenen Ölkanister gehämmert hatte. Den Ölfilm hatte man ausgeglüht, aber man war sich darüber im klaren, daß in den nächsten Tagen jedes Essen noch einen widerlichen Ölgeschmack haben würde.
    Als Morotzkij zum Wagen zurückkam, blieb er plötzlich auf halbem Wege stehen und starrte in den Wald. Putkin stieß Andreas an und winkte der Susskaja zu.
    »Hören Sie wieder Flugzeuge, Semjon Pawlowitsch?« rief er. »Welch ein musikalischer Mensch! Erst pfeift er auf den Rippen, jetzt donnert er mit dem Magen.«
    »Wir werden beobachtet –«, sagte Morotzkij ruhig. »Bewegen Sie sich alle ohne Hast … noch weiß er nicht, wer wir sind und was wir wollen …«
    »Wer?« brüllte Putkin.
    »Ruhe!« Morotzkijs Stimme klang so scharf, daß Putkin vor Erstaunen den Mund aufriß. »Rechts von mir, hinter dem Multebeerenbusch … der Herr der Taiga –«
    »Sein Hirn ist weggeschwitzt«, sagte Putkin rauh.
    Jekaterina Iwanowna sah es nun auch. Sie rührte sich nicht und blieb steif dort stehen, wo sie gerade arbeitete. Sie suchte vom Wagen die Decken zusammen. »Igor Fillipowitsch –«, sagte sie leise. »Von mir aus gehen Sie weiter und vertrauen auf Ihre große Schnauze. Hinter dem Busch steht ein Bär.«
    »Ein Mordsknabe –«, sagte Morotzkij bewundernd, wie nur ein Tierpsychologe so etwas aussprechen kann. »Ein Prachtkerl. Ein kluges Jüngelchen. Guckt durch ein Loch in den Zweigen und beobachtet uns. Wenn Benerian jetzt bloß nicht sein fürchterliches ›Rajetschka‹ brüllt! Das kann ihn erschrecken.«
    »Vielleicht hat Katja Alexandrowna etwas Baldrian zur Beruhigung im Koffer?« schnaubte Putkin. Auch er hatte jetzt den Bären entdeckt. Er stand hoch aufgerichtet hinter dem dichten Beerenstrauch und starrte mit seinen kalten kleinen Augen auf die ihm fremden Menschen. Daß er auf den Hinterbeinen stand, gefiel Putkin gar nicht. Er war zwar kein Tierpsychologe, aber er wußte, daß Bären sich gern hoch aufrichten, wenn sie angreifen wollen. Das ist zwar dumm von ihnen, man kann sie in die Brust treffen, aber sie glauben, es sehe furchterregender aus.
    »Was raten Sie, Semjon Pawlowitsch?« fragte Putkin mit vorsichtig gedämpfter Stimme. »Sie sind hier der Fachmann. Greift der Kerl an?«
    »Nein. Nur wenn er gereizt wird.«
    »Wer will ihn denn reizen? Wo fängt das Reizen bei ihm überhaupt an?«
    »Fragen Sie ihn mal, Putkin. Vielleicht ist's schon der Klang Ihrer widerlichen Stimme, der ihn tobsüchtig macht. Verstehen könnte man das –«
    »Daß Gelehrte immer Witze machen müssen, über die keiner lacht.« Putkin rührte sich nicht. »Verdammt, sollen wir hier festwachsen? Wie lange hält ein Bär so eine Musterung durch?« Er schielte zu der Susskaja. Sie ging langsam, Schritt für Schritt, zu der erstarrten Nadeshna hinüber. Sie hockte dem Bären am nächsten. Als sie bei ihr war, fielen sie sich stumm in die Arme und umklammerten sich. »Wenn wir jetzt ein funktionstüchtiges Gewehr hätten –«, knirschte er, »gäbe es morgen Bärenschinken am Spieß! Meine nächste Arbeit ist, einen Kolben zu schnitzen.«
    Der Bär war zufrieden. Er tauchte hinter dem Multebeerenbusch weg, es raschelte kurz, ein paar trockene Zweige knackten … dann verlor sich jedes Geräusch im samtenen, summenden Wind.
    »Wir sind ihm sympathisch –«, sagte Morotzkij. »Trotzdem sollten wir zur Nachtwache übergehen. Jeder von uns zwei Stunden. Bären sind die neugierigsten Geschöpfe der Welt. Sie übertreffen sogar die Frauen.«
    »Danke.« Die Susskaja lachte dunkel auf. »Semjon Pawlowitsch, Sie haben es faustdick hinter den Ohren. Von uns hätte keiner den Bären gesehen.«
    Als das Feuer brannte, fühlten sie sich alle merkwürdigerweise sicherer. Die vereinfachte Borschtschsuppe, die Nadeshna gekocht hatte,

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