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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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es, die es ausrief. Sie warf die Arme empor und schrie hell auf, so hell, daß selbst Putkin zusammenzuckte.
    »Eine Glocke!« schrie sie. »Das ist eine Glocke! Hört, hört doch … eine kleine, helle Glocke … Bim – bim – bim – bim … eine Glocke –!«
    Putkin starrte sie aus vorquellenden Augen an. Es war, als wolle er Nadeshna erwürgen. Aber es war nicht zu leugnen: Er hörte es auch!
    »Das ist Wahnsinn –«, sagte er dumpf. »Wir sind alle wahnsinnig. In der Taiga eine Glocke! Wir müssen verrückt sein …«
    Es gibt wenige Situationen, bei denen man im wahrsten Sinne des Wortes den Atem anhält. Man sagt das so daher … er hielt den Atem an … aber in Wahrheit atmet man weiter, denn Luft ist Leben, und leben will man um jeden Preis. Hier aber hielten tatsächlich fünf Menschen, erschöpft, durchfroren, mit vereisten Haaren und frostgeröteten Gesichtern, den Atem an und lauschten. Nur der verrückte Benerian machte Lärm, aber auch er hatte die Glocke gehört und lallte mit verzerrtem Mund: »Bim-bum … bim-bum –«, bis Putkin ihm wortlos aufs Maul schlug. Da schwieg er beleidigt, stierte Putkin böse an und zog an seinen Fingern, daß die Gelenke knackten.
    Die Glocke schepperte weiter. Blechern, vom Wind getragen, ein Klang, als wenn eine Menge leerer Konservenbüchsen aneinandergeschlagen würden, und doch ein Tönen, das eine geradezu ergreifende Feierlichkeit enthielt.
    »Es ist eine Glocke –«, sagte Andreas leise. »Putkin, und wenn Sie Ihren Kopf spalten: Nadeshna Iwanowna hat recht.«
    »Wo eine Kirche ist, ist auch ein Dorf …«, stotterte Putkin. »Freunde, ein Dorf! Wir sind durch! Wir haben es geschafft! Ein Dorf! Wir haben unser Leben wieder eingeholt! Ein Dorf!« Plötzlich brüllte er, umarmte die verwirrte Nadeshna, drückte sie an sich, küßte sie schmatzend über das ganze, schmale, engelsgleiche Gesicht, machte dann die Runde und küßte jeden ab, sogar den verblödeten Benerian, der darauf laut: »Gut, gut, Rajetschka, Mütterchen«, rief.
    »Wo kommt der Klang her?« sagte Putkin nach seinem Freudenausbruch, der eine völlig andere Seite seines Wesens bloßgelegt hatte. »Still! Schnauft doch nicht wie Nilpferde! Ruhe! Da … woher kommt es?«
    Sie lauschten wieder, aber der Wind, der sich ständig drehte, der den Schnee kreiseln ließ und in den hohen Kiefern und Fichten rauschte, machte jede Orientierung unmöglich.
    »Von dort«, sagte Morotzkij und zeigte nach rechts. »Ganz klar, von dort. Da kamen auch die Schneegänse her. Wer hat wieder die richtige Nase? Ich! Hier muß Wasser sein, habe ich gesagt, aber Igor Fillipowitsch benahm sich wieder wie ein Stier vor dem Schlachthof.«
    »Der Mensch ist geboren, sich zu irren.« Putkin drehte den schweren Schädel wie ein witterndes Wild. »Geradeaus –«, sagte er dann. »Geradeaus ist es.«
    »Links!« warf die Susskaja ein.
    »Man sollte sich die Haare ausreißen!« schrie Putkin. »Nachher behauptet Nadeshna, es läute bei ihr unter dem Hemd. Aber bitte, bitte, ich will nicht immer der Schuldige sein. Folgen wir dem Professor. Also nach rechts!«
    Die Glocke – oder was immer es sein mochte – läutete weiter, als sie mit weiten Schritten nach rechts abbogen und die breite Senke entlangliefen.
    Der Boden fiel kaum merklich ab, der Wald wurde lichter, es gab mehr Fichten als Kiefern, und das alles regte Morotzkij an, zu sagen: »Wir gehen durch ein ehemaliges Flußbett. Irgendwann hat der Fluß seinen Lauf geändert … aber das hier war ein Fluß! Wir sind auf dem richtigen Weg.«
    Der scheppernde Glockenklang wurde deutlicher. Putkin, der vorauslief, stampfte durch den Schnee und trat eine Spur für Andreas und Katja, die jetzt den Schlitten mit dem schlafenden Benerian zogen. Und dann sahen sie den Fluß: an den Ufern bereits mit einer Eisdecke verschlossen, aber in der Mitte noch mit silbrigem Wasser. Ein wunderbares Strömen, ein Anblick, bei dem Putkin sich ans Herz griff und dumpf röhrte wie ein Hirsch.
    »Wasser! Wasser! Morotzkij, ich habe Sie hundertmal einen Idioten genannt. Die Hälfte davon nehme ich jetzt zurück! Wasser!«
    Sie blieben stehen wie vor einer Wunderwelt, die hinter einer aufgestoßenen Tür sichtbar wird. Schneegänse und große, weißschwarze, möwenähnliche Vögel mit roten Schnäbeln schaukelten auf den Wellen, stießen mit den Köpfen nach unten und pickten die Fische aus dem Fluß, als seien es herumliegende Weizenkörner. Ein Teil des Flußufers war gerodet. Man sah ganz

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