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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gottes Hilfe! Ich lade mir fünfzig auf.«
    »Wann werden Sie aufhören, den Bullen zu spielen?« sagte Katja Alexandrowna. Sie legte die Decken zusammen und rollte sie dann zu engen Würsten, als habe sie sogar eine militärische Ausbildung gehabt und wüßte, wie man ein Sturmgepäck zurechtmacht.
    »Wenn ich anstelle von Andrej mit Ihnen unter der Decke liege, Katja«, rief Putkin und dehnte seinen breiten Brustkorb. »Sie sind das Weib, das sogar mich in die Knie zwingt!«
    Sie packten drei Stunden. Es war schwer, zu entscheiden, was man mitnehmen sollte und was man zurücklassen konnte, was man später nötig brauchen würde, oder was nur unnötiger Ballast war. Wenn es um die Verpflegung und die Werkzeuge ging, war man sich einig, aber sollte man, um nur einiges zu nennen, auch Eisenstangen und Blechteile des Flugzeuges mitnehmen? Und da waren die wunderbaren Gummiräder, die zurückzulassen eine wahre Schande war.
    »Ein Vorschlag zur Güte«, sagte Andreas, als man sich anschrie und sich gegenseitig der Idiotie bezichtigte. »Ich konstruiere aus den Rädern und den Seitenteilen des Karrens einen flachen Handwagen, auf dem wir dann Benerian transportieren. Es ist völlig unmöglich, dreißig Pfund auf dem Rücken zu schleppen und dann noch zwischen uns einen Mann in einer Decke.«
    »Ein kluger Gedanke in einer tauben Nuß«, rief Putkin. »So machen wir es: einen Handwagen, der auch als Schlitten fährt. Mir hätte es das Herz gesprengt, die Räder zurückzulassen …«
    So vergingen noch einmal zwei Tage, bis man den flachen Handwagen zusammengehämmert hatte, eigentlich nur ein breites Brett mit vier Rädern, die aber so hoch angebracht waren, daß neben ihnen Kufen aus gebogenen Eisenrohren zuerst über den verschneiten Boden glitten. Durch eine einfache Umsteckvorrichtung konnte man – wenn nötig – die Räder tiefer stellen und die Kufen ausschalten. Putkin umkreiste nach vollbrachter Arbeit den flachen, schlittenähnlichen Handwagen und klopfte Andreas auf die Schulter.
    »Zwei Ingenieure, Andrej … da muß selbst Sibirien kapitulieren. Das hier ist das Land der großen Ideen. Verdammt, wir zeigen, daß wir stärker sind als die Taiga!«
    Am Morgen des vierten Tages nach der Rast zogen sie wieder los, jeder seine verschnürten dreißig Pfund Gepäck auf dem Rücken, hinter Andrej und Putkin der Schlitten mit dem singenden verblödeten Benerian. Der Frost war nun voll eingefallen. Das Thermometer, wenn man eines gehabt hätte, mußte jetzt auf mindestens 35 Grad minus stehen. Auch der Wind war gekommen … noch nicht in voller Härte, sondern nur wie eine Hand, die leichte Backenschläge verteilt. Aber der Schnee wirbelte schon hoch, auf den Lichtungen entstanden kreiselnde weiße Nebel, aus den Bäumen fielen ganze Lawinen klatschend zur Erde. Der Wald sah wieder aus wie ein Wald: Riesenstämme, kahl und gerippig, in den fahlen Himmel greifend, als wollten sie sich in ihm festklammern.
    »Wo ist Süden?« fragte die Susskaja, als Putkin das Kommando gab und die Hand hob.
    Putkin fuhr zusammen wie unter einem Schlag. Was er nie aussprechen wollte, das Aas von Weib sagte es so leicht dahin.
    »Wissen Sie's?« brüllte er zurück.
    »Nein.«
    »Ich auch nicht, schöne Dame! Süden ist da, wohin wir ziehen, und wenn's Norden ist! Spielt das noch eine Rolle? Jetzt kommt es nur noch darauf an, uns zu bewegen. Und wenn Gott es will – Nadeshna, das geht Sie an –, wenn der alte Mann dort oben wenigstens Sie liebt, läßt er uns an einen Fluß kommen. Dort bauen wir dann unsere Hütte, so wahr ich einen Hintern habe!«
    So zogen sie los, wieder in den großen Kreis hinein, in diesen Teufelskreis, der sie nicht losließ. Sie blickten noch einmal zu dem zurückgelassenen Karren zurück, zu diesem Trümmerhaufen ohne Räder – dann stapften sie weiter durch den kniehohen Schnee, umgaukelt von dem kindischen Gesang des irren Benerian.

V.
    Genau an diesem Tag wurde in Irkutsk in Zusammenarbeit verschiedener Dienststellen und des Militärs die endgültige Erklärung formuliert, die bekanntgab, daß irgendwo auf dem Flug von Suchana nach Irkutsk die Maschine Nr. 14 mit Flugkapitän Makar Lukanowitsch Benerian und fünf Passagieren an Bord verschollen sei. Absturzursache sei unbekannt. Absturzstelle nicht auffindbar, trotz intensiver Suche.
    Jetzt, da der Winter gekommen war, schien eine weitere Suche überhaupt sinnlos geworden. Der Baikalsee begann bereits an mehreren Stellen zuzufrieren. Ein Zeichen, daß es

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