Die Verdammten der Taiga
Täubchen, zieh dich aus und kriech zu mir. Alles taut bei mir auf, alles, hoiho!«
Er lachte wieder dröhnend, überhörte, daß Morotzkij beleidigt: »Sie Erzferkel!« sagte, und drehte sich auf den Bauch. Andreas, Katja, Nadeshna und Morotzkij warfen ihre steifgefrorenen Decken ab … sie begannen in der Hitze des Raumes zu schmelzen und zu dampfen.
Sie setzten sich alle, plötzlich zu Tode erschöpft, auf die lange Bank an der Wand und hielten Benerian fest, der nicht sitzen wollte, sondern immer nach vorn kippte und dauernd »Hoppla-hei … hoppla-hei!« lallte. Schließlich ließ man ihn auf den Boden gleiten, wo er liegen blieb und glücklich mit den Absätzen auf die Dielen hämmerte.
»Welch ein Block von Mann!« sagte Putkin oben auf dem Ofen. »Und so etwas wird Einsiedler und Mönch! Eine Schande gegenüber allen Werktätigen!«
»Sie werden wenig Freude an ihm haben, Igor Fillipowitsch«, sagte die Susskaja. Sie zog ohne Zögern ihre Bluse und ihren Rock aus und lehnte sich, nur mit der dünnen Unterwäsche bekleidet, die ihren üppigen Körper kaum verhüllte, gegen den weißgekalkten hohen Ofen. Putkin schob den Kopf über den Rand der oberen Plattform und stierte auf ihre festen Brüste.
»Wieso meinen Sie, schöne Dame?«
»Unser Taiga-Pope ist bereits im Himmel –«
»Man wird ihn schnell auf die Erde zurückholen. Warten Sie es ab, Katja Alexandrowna. Wenn er sich ausgebetet und ausgesungen hat, werde ich mit ihm sprechen, wie's sich gehört. Und wenn ich an seinem Bart ziehen müßte wie an einem Brunnenseil.«
»Sie rühren ihn nicht an, Putkin!« sagte Nadeshna laut. »Wehe, wenn Sie ihn anrühren! Er ist ein heiliger Mann …«
»Eher ein heiliger Idiot.« Die Susskaja drehte sich herum und preßte ihre Vorderseite gegen den heißen Ofen. Auch sie spürte, wie die Wärme sie bis ins Mark durchdrang und für den erschöpften Körper wie neues Blut war. »Das einzige, was ihn von Makar Lukanowitsch unterscheidet, ist, daß er gehen kann und sich nicht selbst zerfleischen will. Habt ihr diese Augen gesehen? Genau gesehen? Ich weiß nicht einmal, ob er uns bemerkt hat … es war, als habe er uns nur gespürt oder gerochen …«
»O wie gemein, wie gemein!« schrie Nadeshna. Ihr Gesicht glühte. Morotzkij kam ihr zu Hilfe und zog sie an sich, als müsse er sie vor einem Mörder beschützen. »Ihr besteht alle nur aus Gemeinheit! Nur weil er an Gott glaubt, ist er für euch irr! Aber daß es ein Wunder ist, daß wir ihn mitten in der Taiga gefunden haben, das merkt ihr alle nicht –«
»Es mußte so kommen! Teufel auch, mir juckt es in den Händen.« Putkin kletterte, nackt wie er war, von der Ofenplattform und setzte sich ungeniert neben Katja Alexandrowna auf die rund um den Ofen befestigte, schmale Holzbank. Er musterte das Gesäß der Susskaja, die schönen Schenkel und die schlanken und doch kräftigen Beine und grunzte anerkennend. »Bevor der Himmelsclown zurückkommt von seinem Benzinfaßglöckchen, sollten wir beraten, wie es weitergeht. Bleiben wir … oder versorgen wir uns hier mit Winterkleidung und ziehen weiter. Ein Fluß ist ein guter Weg, fast so gut wie eine Straße.«
»Es kommt nur darauf an, wohin er fließt: nach Norden oder nach Süden …«, sagte Andreas.
»Sibiriens Flüsse fließen nach Norden.« Morotzkij begann nun auch, sich auszuziehen. Das Eis an seiner Kleidung schmolz, und die Nässe drang durch ihn bis unter die Haut. Sogar die Elchlederhose des geflohenen Sträflings hatte sich vollgesogen. »Das ist sogar ein Kinderlied: Großer schöner Strom, der du zum Nordmeer ziehst –«
»Wir wissen es!« brüllte Putkin. »Natürlich ziehen wir den Fluß hinauf … da haben wir endlich die Richtung nach Süden. Meine Frage: Überwintern wir hier?«
»Ich bin dafür –«, sagte Morotzkij.
»Ich auch.« Nadeshna Iwanowna hob die Hand.
»Natürlich. Sie bekommen Ihr Bett unter der Ikonastase. Und Sie, Andrej?«
»Hier haben wir ein Dach über dem Kopf. Sagten Sie nicht, Igor, daß in Sibirien ein Dach das wichtigste ist?«
»Und Sie, Katja Alexandrowna?«
Die Susskaja löste sich von dem heißen Ofen und machte Morotzkij und Nadeshna Platz, die sich nun gegen die warmen Steine drückten.
Sie setzte sich gegenüber auf die Bank an der ›schönen Ecke‹, jener Zimmerecke, wo früher in allen russischen Häusern das Ewige Licht vor einem Heiligenbild brannte und Strohblumen von der ewigen Sehnsucht des Menschen nach Schönheit kündeten. Auch hier gab
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