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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schrie Andreas zurück. »Ich war nie einer. Was Sie da angeblich über mich gesammelt haben, ist Lüge! Ich bin als Gast in Ihr Land gekommen und wollte es auch so verlassen. Alles, was ich gesehen habe, wurde mir von Ihren Funktionären gezeigt. Ich bin in Ihr Land geschickt worden, um eine Kooperation im Bergbau zu prüfen.«
    »Warum brüllen wir uns an, he?« Putkin riß die Pelzmütze von seinem gewaltigen Schädel. »Kaum wissen wir, daß wir keine Schmerzen mehr zu haben brauchen, und schon zerfleischen wir uns. Nadeshna, gib den verdammten Tee dem Deutschen!«
    Die kleine Lehrerin stand noch immer geduckt, wie eine kampfbereite Maus vor einem Katzenrudel.
    »Nur, wenn Semjon Pawlowitsch jetzt ein Stückchen zum Lutschen bekommt. Nur dann! Sonst müßt ihr mich töten, um an die Platten …«
    »Halt das Maul!« schrie Putkin. »Keiner will dich töten! Natürlich bekommt Semjon Pawlowitsch einen Krümel. Ist es so, Katja Alexandrowna?«
    »Ausnahmsweise …«
    »Ausnahmsweise. Du hörst es, schwarzes Schwänchen! Heraus mit dem Tee!«
    Nach einer Viertelstunde stapften sie weiter den Hang hinauf.
    Andreas trug jetzt die fünf schwarzen Teeplatten in seinem Rucksack und war damit zum wertvollsten Mitglied der Gruppe geworden. Morotzkij lag auf seinem Flechtschlitten, schrie nicht mehr »Hölle! O Hölle!«, wenn er über Steine rumpelte, sondern er lag da mit einem verzückten Lächeln, kaute mit mahlenden Backenknochen auf dem bitteren Tee herum, schluckte den ätzenden Saft und genoß die Seligkeit, nach Tagen keinen Schmerz mehr in seinen zertrümmerten Beinen zu spüren.
    So erreichten sie schneller den Hügelkamm, standen dann oben im lichteren Wald und sahen hinunter ins Tal.
    Der Fluß. Die Felsenschlucht, wie ein kleiner Cañon vom Fluß herausgesägt. Hinter der Felsbarriere das breitere Tal, in dem der befreite Fluß schon ein Strom wurde … ein glitzerndes Band aus Eis mit sanft ansteigenden Ufern. Und Wald … Wald, so weit das Auge reichte. Die Taiga in ihrer großartigen Schweigsamkeit, ein Meer aus Bäumen, ein unendlicher Ozean aus Ästen, der hineinfloß in die Unendlichkeit des Himmels.
    »Ich liebe Sibirien –«, sagte Putkin fast feierlich. »Und ich sage es jedem, auch wenn man mich für verrückt hält –«

XV.
    Nach acht Tagen wurde General Serikow im Militärkrankenhaus von Irkutsk aus seinem Heilschlaf geweckt.
    Er lag in einem Einzelzimmer – immerhin war er General –, hatte ein gutes Bett, eine Schwester kümmerte sich um ihn (was er jetzt erst erkannte), zwei Ärzte, davon ein Psychiater, betreuten ihn … man tat wirklich alles, um den rätselhaften Zustand des hohen Patienten zu ergründen. Man hatte ihn sogar unter Hypnose gesetzt und ausgefragt … eine kleine Pleite war's geworden, denn Serikow sagte wie eine beschädigte Grammophonplatte: »Ich liebe sie. Sie muß sterben. Ich liebe sie. Sie muß sterben.«
    Wer sterben sollte, eben das wußte man nicht. Es war kein Name aus Serikow herauszubekommen. Zwar hatte Krendelew, der Adjutant, vom plötzlichen Nervenzusammenbruch seines Chefs tief erschüttert, die zerschossenen Fotos abgeliefert, aber man konnte mit ihnen nichts anfangen. Die Gesichter waren unkenntlich geworden, durchlöchert. Nur bei einem Foto war ersichtlich, daß es sich um eine Frau handelte, denn unter dem zerfetzten Kopf sah man noch den Ansatz einer schönen, vollen Brust. Das zweite Foto war ein völliges Rätsel. Nur noch Löcher, ein paar Fetzen.
    »Das muß ein Mann sein«, sagte der Chefarzt. »Vielleicht kann das Labor des KGB etwas herausholen. Da sitzen Spezialisten.«
    Nun, am fünften Tag, war aus Moskau eine Kommission herangeflogen. Ein General Lagutin vom Armee-Oberkommando und ein kleiner, dicker Oberst vom KGB, der sich Bubnow nannte. Die Ärzte schworen, daß es ein falscher Name sei. Sie betrachteten den schlafenden Serikow lange und nickten dann den Ärzten zu.
    »Wecken Sie ihn auf, Genossen.«
    Nun saß Serikow im Bett, hatte eine kräftige Bouillon mit gequirltem Ei gegessen und stocherte lustlos in einem Teller voll Fleischblinis herum. Es roch verführerisch, aber er verspürte keinen Appetit. Die Ärzte hatten sich diskret zurückgezogen. Wenn Abgesandte aus Moskau kommen, soll man als Nichtbetroffener Augen und Ohren abwenden.
    »Wir haben die Fotos im Labor zu rekonstruieren versucht«, sagte der kleine, dicke Bubnow und faltete eine Mappe auseinander. »Die Frau haben wir nicht mehr identifizieren können, aber der Mann

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