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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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änderte auch nichts, daß Nadeshna ihm mehrmals Tee einflößte … man mußte dazu den höllischen Marsch den Hügel hinauf unterbrechen, schnell ein Feuer machen und das Kesselchen darüber halten. Nadeshna trug den verbeulten Topf jetzt immer wie eine Kuhglocke vor dem Hals, um ihn gleich zur Hand zu haben, wenn Morotzkij: »O Hölle! O Hölle!« schrie und nur ein Schluck heißen Tees ihn von seinem Schmerz erlöste. Das war merkwürdig, gegen alle medizinische Erfahrung, wie die Susskaja sagte, aber es war so: Morotzkij wurde ruhiger, wenn er mit verzerrtem Mund ein paarmal das heiße Gesöff in sich hineingeschüttet hatte. Es waren Teeblätter, die der Pope mitgegeben hatte … eine Spezialmischung von Kyrill Jegorowitsch, die er im Sommer zwischen zwei Eisenplatten zu kleinen Tafeln preßte. Fünf solcher schwarzen Tafeln hatte er mitgegeben, und Putkin hatte noch gesagt:
    »Davon saufe ich keinen Tropfen. Weiß man, was der Pope da hineingezaubert hat? Man kann in der Taiga anders sterben als durch Pfaffengift.«
    Nachdenklich beobachtete die Susskaja, wie Morotzkij so gierig wie ein durstender Hund den Tee schlürfte und zufrieden auf seinen flachen Flechtschlitten zurücksank. Dann ging es weiter, diesen teuflischen, langgezogenen Hügel hinauf, mitten durch den Wald, der Spur nach, die Putkin bereits auf dem Rückweg von dem neuentdeckten Paradies getreten hatte.
    »Noch einen Tag –«, rief Putkin und zog an einem Strick den Schlitten hinter sich her wie ein Kind eine Holzeisenbahn. Er stapfte durch den verharschten Schnee, seine breiten geflochtenen Schneeschuhe hinterließen Spuren wie die eines urweltlichen Riesen. »Bindet Morotzkij das Maul zu! Was hilft das Schreien? Er muß es ertragen …«
    »Ich denke an Kyrills Tee –«, sagte Katja, als sie neben Andreas den Hang hinaufstakten. Ab und zu hoben sie den tungusischen Schlitten an und trugen Morotzkij über das Felsgeröll, das jetzt begann. »Ich habe noch nie erlebt, daß Teetrinken allein die Schmerzen dämpft.«
    Bei einer neuerlichen kurzen Rast, weil Morotzkij wieder sein fürchterliches: »Hölle! O Hölle, helft mir doch!« schrie und Nadeshna wieder ihren Schneetee aufbrühte, brach Katja eine kleine Ecke der Teeplatte ab und steckte sie wie einen Bonbon in den Mund. Sie kaute darauf, durchfeuchtete ihn mit Speichel, es schmeckte wie Gallensaft, ungeheuer bitter und ätzend, sie hatte das Gefühl, ihr Gaumen werde gegerbt und die Schleimhäute würden zu Leder. Dann schluckte sie den schwarzen Saft samt den Teeblättern hinunter und trank einen kleinen Schluck heißen Schneewassers hinterher.
    »Abscheulich!« sagte sie zu Andreas. »Als ob Kyrill getrockneten Mist daruntergemischt hätte.«
    »Spuck es aus, Katjuschka …«
    »Es ist schon hinunter.« Sie lächelte verzerrt. »Jetzt müßte ich einen Wodka haben.«
    Nach zehn Minuten spürte die Susskaja, wie eine deutliche Veränderung mit ihr begann. Die Beine wurden leicht, und nicht nur die Beine … der ganze Körper verlor scheinbar an Gewicht, sie spürte bei den schweren Schritten durch den Schnee den vereisten Boden nicht mehr, es war, als schwebe sie über der Erde. Jede Berührung löste kein Gefühl mehr aus. Sie schlug mit der flachen Hand gegen den Schlitten … nichts. Sie zwickte sich kräftig in den Arm … kein Schmerz! Sie stieß mit dem linken Bein gegen einen Baumstamm … es war, als treffe sie ihn durch dicke Watte.
    »Halt!« rief sie. Selbst ihre Stimme schien in ihren Ohren wie nach innen gerufen, aber sie mußte laut wie eh und je sein, denn Putkin zuckte herum, blieb stehen und stierte sie an.
    Die Susskaja ließ den Rucksack und die Skistöcke fallen und zog die dicken Fellhandschuhe aus. Darauf streifte sie den linken Ärmel der Pelzjacke hoch und kniff sich noch einmal in den nackten Arm. Wohl blieb ein deutlicher Abdruck der Nägel zurück, die Haut rötete sich sofort – aber sie spürte keinen Schmerz.
    »Das ist fantastisch …«, stotterte sie dabei. »Das ist unglaublich.«
    Sie riß Putkin, als er nahe genug heran war, das Messer aus dem breiten Gürtel und schüttelte den Kopf, als Putkin sofort zur Abwehr überging und den Knüppel, den er als Skistock benutzte, vorstreckte.
    »Was ist denn nun schon wieder?« schrie er. »Sie launisches Luder! Mal streicheln, mal töten, ganz wie's im Gehirn zuckt!«
    »Halten Sie den Mund, Igor Fillipowitsch«, sagte die Susskaja. Ihre Stimme war für sie selbst nicht zu hören … aber sie brüllte

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