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Die Verdammten der Taiga

Die Verdammten der Taiga

Titel: Die Verdammten der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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regierten nur der Jähzorn und die Wut auf alles, was Kirche heißt … an diesem Mittag aber machte sich eine Urkraft frei, die mit nichts mehr zu besänftigen war.
    Putkin sah schrecklich aus.
    Aus seiner Platzwunde an der Stirn rann noch immer das Blut, lief über sein behaartes Gesicht und gefror in seinem Bart zu roten Eiszapfen.
    »Soll ich mich aufs Eis werfen und den Fluß lieben?« schrie Putkin.
    »Vielleicht hilft es, Igor Fillipowitsch …«, sagte Andreas heiser vor Entsetzen. Was wird nun kommen, dachte er. Werden wir uns umbringen? Ich habe keine Angst mehr, habe ich einmal zu Putkin gesagt. Das war ein großes Wort. Natürlich habe ich jetzt Angst. Nicht um mich, ich war nie ein feiger Mensch … aber welch eine Hölle hinterlasse ich Katja, wenn Putkin mich jetzt tötet …
    Im Zelteingang erschien wieder die Susskaja. Sie hielt das Gewehr vor sich und zielte auf Putkins Brust.
    »Tiefer, mein Täubchen, tiefer!« schrie Putkin. »Schieß ihn weg, damit es Ruhe gibt!« Er griff in die Tasche, holte die alte ›Prawda‹ heraus, riß von der letzten Seite einen Fetzen ab und klebte ihn sich auf die Platzwunde. Dann ging er langsam auf Katja zu, mit hängenden Armen, gesenktem Kopf und den Händen in den Taschen seines Pelzmantels. »Warum schießt du nicht?« sagte er dabei. »So schieß doch, mein wildes Schwänchen! Ich werde es immer wieder tun, immer wieder. Ist das kein Grund für einen Mord?«
    Er ging tatsächlich weiter, als die Susskaja den Finger am Abzug krümmte und nur ein winziger Ruck ihn noch vom Tod trennte. Das war so erschütternd, wie ein Mann kraftvoll in seine eigene Hinrichtung hineingeht, daß Katja das Gewehr absetzte und mit einem Blick zu Andreas hilflos die Schultern hob.
    »Keiner kann mir helfen –«, sagte Putkin und blieb stehen. »Kein Weib und keine Kugel. Was soll ich tun? Warum weiß denn keiner eine Antwort …«
    In der Nacht versuchte der bis zur Hüfte in Holz eingeschalte Morotzkij, sich Zentimeter um Zentimeter an den schnarchenden Putkin heranzuschieben. Nadeshna lag mit leise röchelndem Atem neben dem Ofen. Putkins Tritt hatte keine inneren Verletzungen hinterlassen, die Susskaja hatte sie genau untersucht und immer wieder die Schleimhäute nachgesehen, ob sie blaßrosa würden, was auf eine innere Blutung hindeutete. Aber nichts geschah … der Schmerz wurde mit ein paar Krümeln von Kyrills Tee betäubt, nur der Schock blieb zurück und der Haß.
    Leise, mit zusammengebissenen Zähnen, rutschte Morotzkij auf Putkin zu. Es war der Weg einer Schnecke von Moskau bis Leningrad, so kam es Morotzkij vor. Jeder Zentimeter, den er mit seinen steifen, eingeschienten Beinen überwand, verdoppelte seinen Entschluß, bis er neben seinem lahmen Leib auch noch einen Berg aus Rache und Mordbereitschaft mit sich vorwärtsschleppte.
    Da er die Hände brauchte, um sich abzustoßen und weiterzuschieben, hatte er das Messer zwischen die Zähne geklemmt und biß darauf, als wolle er eine Rille in die Klinge pressen. Ein paarmal hob er den Kopf und starrte durch die Dunkelheit des Zeltes. Putkin war nicht zu verfehlen … sein weißer Kopfverband schimmerte durch die Finsternis. Drei Handbreit tiefer, dachte Morotzkij. Da ist die Kehle, eine gute Stelle. Das Herz kann man verfehlen, aber die Kehle, da ist er garantiert zu töten. Ein Stich und ein schneller Schnitt mit der von ihm selbst so herrlich geschärften Klinge. Das wird auch ein Putkin nicht überleben. Und dann ist Ruhe um uns, endlich Ruhe.
    Er rutschte weiter, stieß an einen Körper und sagte sich, daß es Katja Alexandrowna sein müsse. Um an Putkin heranzukommen, mußte man um sie herum kriechen, sie lag quer vor Putkin wie ein Wall, ein Hindernis, das mit seinen geschienten Beinen nicht zu übersteigen, sondern nur zu umgehen war.
    Morotzkij starrte durch die Dunkelheit auf den weißen Kopfverband. Welch ein neuer Weg, dachte er. Unendlich wie von Moskau zum Kap Deschnew. Aber er ist zu überwinden, die Nacht ist noch lang, und Zentimeter reiht sich an Zentimeter, und jeder Zentimeter ist ein Tropfen Haß mehr.
    Um Katja Alexandrowna herum … und dann hinein in diesen dicken, widerlichen, ewig brüllenden Hals!
    Morotzkij schaffte es nicht. An Katjas Füßen gab er auf. Seine Beine besiegten ihn, die Schmerzen in seinen Knochen zerschlugen seinen Mut. Er preßte das Gesicht auf den mit Fellen belegten Zeltboden, krallte die Hände in die Pelze und weinte lautlos in sich hinein.
    Andreas, der zuerst erwachte,

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