Die Verdammten der Taiga
das Schicksal nicht, und schon gar nicht Gottes Fügung, denn so gemein ist kein Gott. Es war eben nur ein Zufall – aber was für einer!
Es begann mit der nüchternen Überlegung, daß die Fische nun langsam wußten, was die Löcher im Eis zu bedeuten hatten und deshalb einen anderen Weg unter der Frostdecke nahmen. Putkins Schnüre blieben immer öfter unberührt, und Andreas lag oft eine Stunde bäuchlings auf dem Eis, starrte ins Wasser und sah nichts, was er stechen konnte.
»Schlagen wir neue Löcher«, sagte Putkin. »Keiner soll sagen, Fische seien dumm. Sie haben uns durchschaut. Wir verlegen jetzt die Plätze mehr zum Ufer. Ich schwöre bei meiner Sehnsucht nach Weibern: Dort müssen ein paar fette Burschen stehen!«
Am Nachmittag begann Putkin mit dem Aufschlagen der Eisdecke, während Andreas Holz hackte und die Scheite an der Hauswand aufschichtete. Morotzkij schwebte in sieben Seligkeiten … Katja Alexandrowna hatte ihm von einem Jagdausflug eine dicke Krähe mitgebracht. Nicht geschossen, sondern lebend. Ein Prachtexemplar von Krähe, das sich das linke Bein gebrochen hatte und Morotzkij sofort zur Begrüßung in den Finger hackte.
»Eine Krähe, die sich das Bein bricht … genau das paßt zu Ihnen, Professor«, hatte Putkin gesagt. »Fragen Sie sie mal, wie dämlich man als Krähe sein muß, damit so etwas passiert.«
Genau das tat Morotzkij. Er schiente das Bein der Krähe, band sie mit dem anderen Bein fest und begann, sich in der Lautmalerei der Krähensprache mit ihr zu unterhalten. Das klang absurd, Putkin sagte voraus, daß er das schwarze Biest bald erwürgen würde, bellte die Krähe an wie ein riesiger Hund und erreichte dabei, daß das Tier jedesmal herzerweichend kreischte, wenn es Putkins ansichtig wurde.
Das Krachen der Schläge hallte hell durch die stille Landschaft, als Putkin begann, in Ufernähe sein viertes Loch in die Eisdecke zu schlagen. Es war keine große Arbeit, das Eis brach schnell ein, und unter dem Eis war kein Wasser, sondern Ufersand. Es mußte eine Sandbank sein, die in den Fluß hineinragte und die gerade überspült worden war, als der Frost einsetzte.
Fluchend warf Putkin die Axt weg, bückte sich, griff in den Sand und riß ein großes, gefrorenes Stück los. »Sand!« brüllte er zu Andreas hinüber, der gerade neue Scheite stapelte. »Habe ich es nicht gesagt? Sand! Hier werden wir im Sommer liegen wie die Pensionäre am Schwarzen Meer!«
Er spielte mit dem Sandklumpen, als wäre er ein Ball, warf ihn hoch in die Luft, fing ihn wieder auf und hauchte ihn dann mit seinem dampfenden Atem an, um ihn aufzutauen. Das schien zu gelingen, goldgelbe Körner rannen durch seine Finger, aber plötzlich stutzte Putkin, ballte die Faust um den Rest Sand und blickte über den Fluß.
»Das ist nicht wahr«, sagte er leise. Und dann lauter und immer lauter werdend, bis es zu seinem typischen Gebrüll wurde: »Das ist nicht wahr! Andrej! Andrej! Das ist nicht wahr! Andrej!«
Er rannte zur Hütte zurück, die geschlossene Faust vorgestreckt; die Susskaja stürzte aus dem Haus, Nadeshna folgte ihr, komischerweise das Gewehr in den Händen, dann erschien sogar Morotzkij, an einer Krücke humpelnd, in der anderen Hand ein langes Messer. Andreas griff sein Beil fester. Ging es wieder los? War der andere Putkin, das Monster, wieder erwacht?
Putkin rannte wie um sein Leben, die geschlossene Faust noch immer vorgestreckt, hielt dann vor den anderen an und öffnete die Hand. »Was ist das?« schrie er. »Andrej, was ist das? Sag es laut, ganz laut, mein Brüderchen …«
»Sand.« Die Susskaja starrte den wie irren Putkin an. »Sand …«
»Seid ihr denn alle blind?« Es war fast ein Heulen, das aus Putkin herausbrach. »Sand! Sand! Was für ein Sand? Habt ihr denn keine Augen?«
Andreas ergriff Putkins Hand, holte sie zu sich heran und zerteilte die jetzt trockenen Körner. Dann stutzte auch er und beugte sich tiefer über Putkins Hand.
»Na?« brüllte Putkin außer sich. »Sag es, Andrej, sag es. Sprich es aus! Was ist das?«
»Gold …«, sagte Andreas gepreßt. »Mein Gott … goldhaltiger Sand …«
»Jawohl, Gold!« Putkin warf die Hand empor und ließ den Sand über seinen Kopf regnen. Er blieb in seinen Haaren hängen und rieselte in seinen Bart. Gelber Sand, in dem es ab und zu matt leuchtete. »Wir leben auf einer goldenen Erde!« schrie Putkin. »Wir haben unser Haus auf Gold gebaut. Halleluja in der Höhe!«
Er umarmte die Susskaja und Andreas und küßte
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