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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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in der Luft, und auch der ganz schwache Geruch nach
Blut, der Andrejs Beunruhigung zusätzliche Nahrung gab. Doch der
dunkel gekleidete Kamelreiter, der den Abschluss der Kolonne bildete, war schon gut vierzig oder fünfzig Schritte entfernt. Selbst, wenn
er sich in diesem Moment in dem sonderbar geformten Sattel seines
Reittieres umgedreht hätte, hätte er ihn nicht mehr sehen können.
Trotzdem vermied Andrej jede hastige Bewegung, während er aufstand. Sofort setzte er dazu an, sich den Sand aus dem Mantel zu
klopfen, bevor ihm die Sinnlosigkeit dieser Bemühungen aufging
und er es einfach dabei beließ, das Kleidungsstück wieder fest um
sich zu wickeln und den Gürtel zu schließen. Abu Dun befreite sich
ungefähr so geschickt aus seinem selbst geschaufelten Grab im Sand
wie ein zu groß geratener Käfer, der auf den Rücken gefallen war,
und spießte ihn mit Blicken geradezu auf. Als er neben ihm anlangte,
enthielt er sich zu Andrejs Überraschung aber jeglichen Kommentars
und sah noch einmal aufmerksam in die Runde. Andrej tat dasselbe
und stellte ohne Überraschung fest, dass nicht nur vor, sondern auch
hinter der Karawane zwei Reiter wachten; einer auf dieser und einer
auf der Kuppe der gegenüberliegenden Düne.
»Und?«, fragte er. »Hast du gesehen, was du sehen wolltest?«
»Sklavenhändler«, sagte Abu Dun leise. »Das sind verdammte
Sklavenhändler!«
Der Ton in seiner Stimme ließ Andrej besorgt aufhorchen. Es war
so lange her, dass er es manchmal zu vergessen begann, doch als
Abu Dun und er sich kennen gelernt hatten, da war der nubische Riese genau das gewesen: ein Sklavenhändler. Abu Dun behauptete bei
jeder Gelegenheit, die sich bot, dass dieser Teil seines Lebens abgeschlossen sei und weit hinter ihm liege und er Sklavenhändler heute
verabscheue, und Andrej war auch überzeugt davon, dass das die
Wahrheit war. Was er aber nun in seiner Stimme hörte, das war keine Abscheu, sondern ganz eindeutig Hass.
»Und?«, fragte er noch einmal. »Was hast du jetzt vor? Willst du
sie angreifen und die Sklaven befreien? Es sind ein bisschen viele.«
»Verstehst du denn nicht?«, grollte Abu Dun. »Wenn das eine
Sklavenkarawane ist, dann sind das da vorn keine gewöhnlichen
Räuber. Es waren mindestens vierzig oder fünfzig Mann, wahrscheinlich mehr. Zusammen mit denen in der Festung müssen es
zwei- oder dreihundert sein!«
Andrej überschlug rasch seine eigene Schätzung und kam zu dem
Ergebnis, dass Abu Dun diesmal wohl kaum übertrieben hatte. Er
hob abermals die Schultern. »Dann ist es eben eine große Räuberbande.«
»Eine verdammt große, meinst du nicht?«, fragte Abu Dun.
»Ich kenne Räuberbanden drüben in Europa, die noch viel größer
sind«, antwortete Andrej. Worauf wollte Abu Dun hinaus? »Nur
nennen sich ihre Anführer nicht Räuber, sondern Könige oder Barone.«
Abu Dun blieb ernst. »Wir müssen ihnen nach.«
Andrej starrte ihn an. »Bist du verrückt?«
Der Nubier schüttelte so heftig den Kopf, dass sein Turban verrutschte. »Kein bisschen. Ich muss ihnen nach, Andrej. Du kannst
hier bleiben, wenn du willst.«
Er fuhr herum und wollte unverzüglich losstürmen, doch Andrej
hielt ihn mit einem raschen Griff zurück. »Nicht so schnell. Was hast
du vor?«
Abu Dun machte eine Bewegung, wie um sich loszureißen, was er
ohne Mühe gekonnt hätte, denn er war mindestens doppelt so stark
wie Andrej, ließ den Arm dann aber wieder sinken und warf noch
einen Blick in Richtung der langsam abziehenden Sklavenkarawane.
»Das sind die, nach denen ich gesucht habe.«
»Nach denen du gesucht hast?«, wiederholte Andrej verständnislos.
»Was soll das heißen? Wer sind diese Männer? Wieso suchst du nach
ihnen?«
Im Grunde stellte er keine dieser Fragen, weil er eine Antwort darauf erwartete. Abu Dun und er waren jetzt seit mehr als einem Jahrhundert zusammen. Sie hatten zahllose Abenteuer erlebt und hatten
gemeinsam zahllose fremde Länder bereist. Er wusste über den Nubier fast ebenso viel wie über sich selbst. Dennoch schien es Dinge
zu geben, die noch im Dunkel lagen.
Wieder zögerte Abu Dun, bis er antwortete, und als er es tat, da war
seine Stimme leiser geworden, und der Hass, den Andrej noch vor
einem Atemzug darin gehört hatte, hatte Bitterkeit und Schmerz
Platz gemacht. »Ich habe dir doch erzählt, dass ich als Kind in die
Sklaverei verschleppt und auf dem Markt verkauft worden bin.«
»Ja«, sagte Andrej. »Und was hat das mit diesen Männern zu

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