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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Firmament
unmittelbar über dem Burghof in einem düsteren matten Glanz erstrahlen, und der Wind trug jetzt nicht nur das entfernte Rauschen
zahlreicher Stimmen zu ihnen, sondern auch Gelächter, Fetzen von
Musik und ein helles, metallisches Klingen. Vielleicht auch ein leises
Wehklagen, doch in diesem Punkt war sich Andrej nicht sicher.
    Sie waren der Sklavenkarawane zwar in sicherem, dennoch aber
nicht allzu großem Abstand gefolgt. Nahe genug, um die ganze Zeit
über das Schluchzen und Weinen der unglückseligen Männer und
Frauen zu hören, die die Sklavenhändler in Ketten zwischen sich
hergetrieben hatten. Es war ein Geräusch, das man so schnell nicht
vergaß.
    Jetzt hatten sie angehalten, wiederum im Schatten einer mächtigen
Sanddüne, die eine Art zweites, natürliches Bollwerk rechts und links
um diese vor langer Zeit von Menschenhand geschaffene Festung
bildete. Die Karawane war noch ein gutes Stück weitergezogen und
dann ebenfalls zum Stillstand gekommen. Soweit Andrej das über
die große Entfernung hinweg beurteilen konnte, herrschte vor dem
Eingang der Festung ein heilloses Chaos. Es gab zwar ein Tor, das,
wenn es gänzlich offen stand, weit genug sein musste, um mindestens fünf oder sechs Reitern nebeneinander Platz zu bieten, aber es
stand nicht offen. Stattdessen hatte sich in dem aus gewaltigen, verwitterten Balken gefertigten Tor ein geradezu lächerlich kleines Türchen geöffnet, durch das die Männer einzeln eintraten, und auch das
nur langsam und in großem Abstand.
    Andrej war natürlich klar, warum das so war. Jeder einzelne Mann,
der die Festung der Sklavenhändler betreten wollte, wurde offensichtlich sorgfältig kontrolliert. Was ihr Vorhaben nicht unbedingt
leichter machte. »Man könnte meinen, sie erwarten uns«, murmelte
er.
    »Vielleicht tun sie das ja«, sagte Abu Dun. Andrej sah ihn fragend
an. »Wir hätten sie doch alle töten sollen«, grollte der Nubier, kam
Andrejs Widerspruch aber mit einer raschen Handbewegung zuvor.
»Nein, nicht, weil sie Sklavenhändler sind und ich sie allein deswegen umbringen würde. Die Überlebenden von heute Mittag haben
den missglückten Überfall sicherlich in den buntesten Farben ausgeschmückt. Wahrscheinlich habe ich mich nach ihren Erzählungen
mitten im Kampf in einen drei Meter hohen Riesen oder einen fürchterlichen Dschinn verwandelt.«
    Andrej hätte ihm gerne widersprochen, konnte es aber nicht. Natürlich hatten die Männer, die vor ihnen geflohen waren, von dem Gemetzel berichtet, das zwei auf den ersten Blick harmlos wirkende
Reisende unter ihnen angerichtet hatten. Die Herren dieser sonderbaren Wüstenfestung hätten schon Narren sein müssen, hätten sie die
Sicherheitsvorkehrungen nicht zumindest so lange verschärft, bis sie
sicher sein konnten, dass die beiden Fremden entweder tot oder endgültig weitergezogen waren. »Und wie kommen wir jetzt dort hinein?«, fragte er.
    Abu Dun antwortete nicht. Einen kurzen Moment lang blickte er
noch aufmerksam zur Festung hin, dann begann er seinen Turban
abzuwickeln, streifte Mantel und Schwert ab und schlüpfte anschließend ächzend aus den Stiefeln. Er trug jetzt nur noch eine nachtschwarze Pluderhose, die von einem kunstvoll gefertigten Gürtel
allen Naturgesetzen zum Trotz daran gehindert wurde, von seinem
gewaltigen Bauch zu rutschen.
    »Das ist nicht dein Ernst!«, sagte Andrej entsetzt.
Abu Dun machte sich ungeschickt an seinem Gürtel zu schaffen. Es
klimperte leise, als er ihn abschnallte und zu seinen übrigen Sachen
    warf. »Hast du vielleicht eine bessere Idee?«
»Mehr als eine.« Andrej deutete auf die Männer, die ungeduldig
darauf warteten, eingelassen zu werden. »Wir schnappen uns zwei
Pferde und machen, dass wir von hier wegkommen. Meinetwegen
auch Kamele.«
Abu Dun ließ sich ächzend in den Sand plumpsen und begann, seine abgelegten Habseligkeiten in den schwarzen Mantel einzuwickeln. »Du hast mir nicht zugehört, Hexenmeister«, behauptete er.
»Doch«, erwiderte Andrej. »Und ich kann dich sogar verstehen. Du
hast vollkommen Recht. Diese Pest gehört ausgerottet, mit Stumpf
und Stiel. Aber wir sind nur zu zweit. Und ich glaube nicht, dass wir
wirklich etwas gegen sie unternehmen können, wenn wir uns waffenlos und als Sklaven verkleidet in ihre Festung einschleichen!«
Er deutete noch einmal, diesmal energischer, mit der Hand in dieselbe Richtung. »Lass uns zurückreiten und den nächsten Emir oder
Scheich oder Obermufti oder wer

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