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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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war, kehrte er wieder in
den Innenhof des kleinen Gebäudes zurück, wo Abu Dun auf ihn
wartete. Selbst für seine scharfen Augen war der Nubier unsichtbar,
wie er so in seiner schwarzen Kleidung an der Wand neben dem Eingang lehnte. Die rechtmäßigen Besitzer dieses Hauses schliefen tief
und fest hinter einem offen stehenden Fenster im ersten Stockwerk,
und das gleichmäßige Schlagen ihrer Herzen und ihre regelmäßigen,
langsamen Atemzüge verrieten Andrej auch, dass es noch Stunden
dauern würde, bis sie erwachten.
    »Sie kommen«, flüsterte er. »Bist du so weit?«
»Nein«, antwortete Abu Dun. »Aber was nutzt es mir schon? Ich
nehme an, ich kann dich sowieso nicht von diesem Irrsinn abbringen,
oder?«
»Nein«, bestätigte Andrej. Er sparte es sich, hinzuzufügen, dass
Abu Dun ihn nicht begleiten musste, wenn er es nicht wollte. Über
diesen Teil ihrer Partnerschaft waren sie lange hinaus. Selbst, wenn
der eine oder andere es manchmal noch sagte, war ihnen doch insgeheim schon vor langer Zeit klar geworden, wie eng ihr Schicksal
miteinander verknüpft war und dass der eine niemals etwas ohne den
anderen tun würde. Selbst die Jahre, in denen Abu Dun so etwas wie
ein flüchtiges Glück und eine Familie gefunden hatte, war Andrej
stets in seiner Nähe geblieben, um auf ihn zu warten, und sie wussten
beide, dass er wohl selbst dann geblieben wäre, hätte das Schicksal
Abu Dun dieses kurze Glück, das es ihm geschenkt hatte, nicht auch
ebenso willkürlich wieder zerstört. Wahrscheinlich, dachte er, würden sie auf diese Weise auch eines Tages gemeinsam sterben.
Eines Tages, aber nicht heute.
Er verscheuchte den Gedanken, nickte noch einmal in die ungefähre
Richtung, in der er Abu Dun vermutete, wandte sich dann ab, um
durch den kurzen Gang erneut hinaus auf die Straße zu treten. Diesmal gab er sich keine Mühe, leise zu sein oder sich im Schatten zu
halten. Ganz im Gegenteil blieb er erst stehen, als er sicher sein
konnte, dass die beiden Männer ihn auch tatsächlich gesehen hatten.
Die Zeit, die dennoch verging, bis einer von ihnen auf seinen Anblick reagierte, machte ihm noch deutlicher klar, wie müde die beiden Wächter waren. Emir Faruk war offensichtlich nicht nur ein sehr
unduldsamer Herrscher, er verlangte auch sehr viel von seinen Soldaten.
»Halt!«, rief eine scharfe Stimme. Der Takt der Schritte wurde
schneller, und Andrej fuhr übertrieben erschrocken zusammen und
drehte mit einem Ruck den Kopf. »Wer bist du? Was suchst du zu
dieser Stunde auf der Straße?«
Die beiden Männer rannten nicht auf ihn zu, gingen nun aber sehr
schnell, sodass sie ihn in wenigen Augenblicken erreicht haben würden. Andrej sah noch einmal rasch prüfend an sich herab. Er hatte
das Schwert abgelegt und an eine Mauer gelehnt und aus seinem
Turban ein Kopftuch gefaltet, das sein Gesicht nahezu zur Gänze
beschattete. Außerdem trug er nun keinen Mantel mehr, sondern nur
noch Hemd und Hose, und er hatte auch die Stiefel ausgezogen. Zumindest auf den ersten Blick und bei dem schlechten Licht mochte er
als jemand durchgehen, der gerade aus dem Schlaf aufgeschreckt und
so, wie er war, auf die Straße hinausgestürmt war.
»Gut, dass ihr kommt«, antwortete er in einem halblauten, gehetzten Flüsterton. »Schnell! Eilt euch!«
Tatsächlich beschleunigten die beiden ihre Schritte noch einmal,
und Andrej wich unauffällig wieder ein kleines Stück weit in den
Tordurchgang zurück. Nicht weit genug, um sie Misstrauen schöpfen
zu lassen. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war, dass sie
Alarm schlugen oder weitere Soldaten zu ihrer Unterstützung herbeiriefen.
»Rasch!«, fuhr er fort. »Das müsst ihr euch ansehen!«
Er tat so, als wollte er sich umdrehen, brach die Bewegung aber ab,
noch bevor der kleinere der beiden noch einmal in noch schärferem
Ton: »Halt!« sagen konnte, und legte einen halb verwirrten, halb
ängstlichen Ausdruck in sein Gesicht.
»Was bedeutet das?«, fragte der andere. »Wer bist du?«
Andrej ignorierte die letzte Frage und gestikulierte aufgeregt mit
beiden Händen in der Dunkelheit vor sich. »Da ist etwas im Hof«,
stammelte er hastig. »Ich weiß nicht, was es ist, aber es macht mir
Angst. Rasch, seht es euch an!«
Diesmal wartete er die Antwort der beiden Soldaten nicht ab, sondern eilte wieder in den Hof zurück. Ihre klappernden Schritte folgten ihm und bekamen dann ein hallendes Echo, als die beiden Männer dicht hinter ihm in die Einfahrt

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