Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
er
das vermutlich hundertfach verdient hatte. Trotzdem zögerte er noch.
Die Vorstellung, sich auf das Ehrenwort eines Sklavenhändlers zu
verlassen, passte ihm nicht. Er überlegte kurz, ihn einfach zu fesseln
und zu knebeln und ihn irgendwo zu verstecken, wo man ihn erst
nach Sonnenaufgang finden würde, aber wenn das, was er ihnen gerade über den Emir erzählt hatte, stimmte, dann konnten sie ihm genauso gut auch gleich die Kehle durchschneiden.
»Also gut«, sagte er schweren Herzens. »Ich vertraue dir. Verschwinde von hier. Und noch etwas.«
»Ja?«, fragte der Sklavenhändler fast schüchtern.
»Du solltest dir einen neuen Broterwerb suchen«, antwortete Andrej. »Wenn wir uns noch einmal begegnen sollten und du dann immer noch Sklavenhändler bist, könnte es sein, dass du diese Begegnung tatsächlich nicht überlebst.«
    Auch aus der Nähe betrachtet erinnerte die Residenz des Emirs
mehr an eine Festung als einen Palast. Er hatte die üblichen Kuppeln, schlanke, nadelspitze Türme und kunstvoll vergitterte Fenster,
die Säulengänge und Dachgärten, die stuckverzierten Fassaden und
goldenen Dächer und Erker, die man bei einem Palast eines orientalischen Fürsten erwartete. Das Ganze verbarg sich aber hinter einer
hohen Mauer, die von Zinnen in Form von Haifischzähnen gekrönt
wurde. In ihr gab es nur ein einziges Tor, dafür aber Dutzende von
Schießscharten, die wie auf den Kopf gestellte Kreuze geformt waren, und eine Anzahl wuchtiger, runder Türme, von deren Plattformen aus man einen ungehinderten Blick über die Straßen in der weiteren Umgebung hatte. Wächter in prunkvollen Uniformen, die an
die der Stadtgarde erinnerten, aber zugleich deutlich martialischer
aussahen und mit Speeren, spitzen Helmen aus Kupfer oder poliertem Messing und großen, runden Schilden ausgerüstet waren, patrouillierten auf dieser Mauer, und auch ein Stück darüber, auf den
flachen Dächern des Palastes, in seinen einseitig offenen Säulengängen. Selbst hinter dem einen oder anderen erhellten Fenster konnte
man die Schatten weiterer Bewaffneter erkennen, die dort ihren
Dienst taten. Zusammen mit der wuchtigen Außenmauer, dem gewaltigen Tor und den zusätzlichen Männern, die immer zu zweit
durch die Straßen in der Nähe der Residenz des Emirs auf Streife
gingen und jedes fremde Gesicht aufmerksam musterten, verriet diese Festung Andrej weitaus mehr über den Besitzer dieses Palastes und seine Beliebtheit bei den Bewohnern dieser Stadt als alles, was
sie in den letzten Tagen erfahren hatten. Faruk gehörte ganz offensichtlich nicht zu den Herrschern, die von ihrem Volk auf Händen
getragen wurden.
    Das Geräusch leiser, regelmäßiger Schritte drang in Andrejs Ohren.
Ohne auch nur den geringsten Laut zu verursachen, schob er sich an
der rauen Wand entlang nach vorne und spähte auf die Straße hinaus.
Die beiden Männer, auf die Abu Dun und er warteten, waren noch
weiter entfernt, als er gedacht hatte; zwei flache, gesichtslose Schatten, die gerade erst am Ende der Straße aufgetaucht waren, bestimmt
noch vierzig oder fünfzig Schritte entfernt. Er hatte geglaubt, sie wären bereits viel näher, aber die verwirrende Akustik der verwinkelten
Gässchen mit ihren schmalen Häusern, die mit unzähligen Erkern,
Vorsprüngen, Treppen und tief zurückgelegten Eingängen übersät
waren, hatte sein Gehör getäuscht. Außerdem schienen es die Männer nicht eilig zu haben. Der langsame Takt ihrer Schritte und die
leicht schleppende Art, in der sie sich bewegten, machte ihm klar,
wie müde sie waren. Sie hatten den Großteil ihrer anstrengenden
Wache hinter sich und versuchten jetzt nur noch, die zwei oder drei
Stunden bis zur Wachablösung durchzuhalten, und das bedeutete,
dass sie vermutlich alles andere als aufmerksam waren.
    Perfekt für das, was sie planten. Und sie erwiesen sich auch noch in
anderer Hinsicht als nahezu ideale Kandidaten, denn selbst über die
große Entfernung und bei dem schlechten Licht konnte Andrej sehen,
wie unterschiedlich sie waren. Einer von ihnen war ein wahrer Riese,
zwar nicht annähernd so breitschultrig wie Abu Dun, aber doch nahezu ebenso groß.
    Sie hatten einen Großteil der zurückliegenden beiden Stunden damit zugebracht, die Patrouillen zu beobachten, die in unregelmäßigen
Abständen aus der Festung herauskamen und ihre Runden durch die
Straßen zogen, bevor sie wieder hinter den wuchtigen Mauern verschwanden.
    Ebenso lautlos, wie er nach vorne gehuscht

Weitere Kostenlose Bücher