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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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endgültig gelingt. Sie hatten die Patrouillen aufmerksam genug beobachtet, um zu wissen, dass man sie ohne
irgendeine Aufforderung oder gar Parole einlassen würden. Trotzdem war ihm mit jedem Schritt, den sie sich dem Tor näherten, weniger wohl zumute. Für seinen Geschmack hatte die Situation zu
große Ähnlichkeit mit der, als sie in Ali Jhins Festung eingedrungen
waren. Auch damals hatte ihre Maskerade funktioniert, aber trotzdem
wäre es fast zu einer Katastrophe gekommen.
Als sie sich dem Tor bis auf wenige Schritte genähert hatten, stockten die Schritte hinter den Zinnen zehn Meter über ihnen. Andrej
widerstand der Versuchung, nach oben zu blicken, aber er konnte
spüren, wie der Posten, der dort kontrollierte, stehen blieb und aufmerksam zu Abu Dun und ihm herabsah. Abu Dun hatte Recht gehabt, dachte er nervös. Es war Irrsinn. Es konnte nur schief gehen.
Aber nun war es zu spät, um umzukehren.
Metall scharrte. In dem gewaltigen Tor wurde eine schmale Pforte
geöffnet. Ein einsamer Lichtstrahl brach sich auf poliertem Messing,
und eine raue Stimme sagte ein Wort, das Andrej nicht ganz
verstand. Er brummte irgendeine Antwort, wobei er versuchte, einen
Klang von Müdigkeit in seine Stimme zu legen. Der Posten gab das
Tor frei und trat zurück. Andrej senkte den Kopf und trat an ihm
vorbei ins Innere der Burg. Der Mann, der sie eingelassen hatte,
sprach ihn abermals an, und seine Stimme klang jetzt ein wenig ungeduldig, fand Andrej, aber er ignorierte ihn weiter und machte noch
einen Schritt, bevor er stehen blieb und sich unauffällig umsah. Alles
war voller Schatten und Dunkelheit, aber er spürte, dass sie zumindest im Moment allein waren. Mehr brauchten sie nicht.
Hinter ihm trat auch Abu Dun durch das Tor, und Andrej machte
sich bereit, nötigenfalls sofort einzugreifen. Der Posten musste einfach erkennen, dass mit dem zurückgekehrten Soldaten irgendetwas
nicht stimmte.
Aber das Wunder geschah. Der Mann begrüßte sie mit einigen
Worten, die sich eindeutig spöttisch anhörten, und Abu Dun brummelte irgendetwas, das Andrej nicht verstand, aber noch spöttischer
klang, und worauf er ein lautes Lachen zur Antwort bekam. Dann
hörte er, wie das Tor geschlossen und der schwere Riegel wieder
vorgelegt wurde. Der Torwächter versah seinen Dienst entweder
nicht besonders gewissenhaft, oder es waren einfach zu viele Soldaten hier im Palast, als dass er sie alle kennen konnte.
Die Auswahl an Türen, die sie ansteuern konnten, war nicht groß.
Es gab nur eine einzige, die halb offen stand und hinter der trübes
Licht brannte, sodass Abu Dun und er kurzerhand darauf zugingen.
»Wieso hat er uns so einfach eingelassen?«, murmelte Andrej,
nachdem er sicher war, dass sie von dem Mann am Tor nicht mehr
gehört werden konnten.
»Ich glaube, seine Wache hat gerade erst begonnen.« Abu Dun
seufzte. »Es muss wohl stimmen, dass Allahs Hand ganz besonders
die Narren und die geistig Schwachen schützt.«
Andrej nickte. »Immerhin lebst du schon erstaunlich lange.« Abu
Dun setzte zu einer Antwort an, verstummte aber dann abrupt, als die
Tür vor ihnen weiter aufgestoßen wurde und ein einzelner Mann zu
ihnen heraustrat. Ohne etwas zu sagen, ging er an ihnen vorbei, aber
Andrej bemerkte sehr wohl, dass er einen winzigen Moment stockte
und ihnen einen kurzen, irritierten Blick zuwarf. Er sagte nichts, er
versuchte nicht, sie anzusprechen oder zurückzurufen, aber Andrej
gefiel seine Reaktion trotzdem nicht. Auch, wenn der Mann sie
schon nach wenigen Augenblicken wieder vergessen haben mochte,
so würde er doch später eine hinlänglich gute Beschreibung von ihnen liefern können.
»Jetzt fehlt uns nur noch jemand, der freundlich genug ist, uns den
Weg zum Harem zu beschreiben«, sagte Abu Dun.
Sie hatten die Tür erreicht und traten hindurch. Dahinter befand
sich ein kleiner, im Moment leer stehender Wachraum, von dem aus
drei weitere Türen in verschiedene Richtungen tiefer in das Gebäude
hineinführten. Alle waren nur angelehnt, hinter allen brannte Licht,
und hinter zweien hörte Andrej auch murmelnde Stimmen und andere Geräusche. Ohne sich absprechen zu müssen, entschieden sie sich
für die dritte Tür, die rechter Hand in eine steil nach oben führenden
Treppe mündete. An ihrem oberen Ende brannte Licht, doch alles,
was sie hörten, waren die Geräusche von mehreren Männern, die
offensichtlich alle schliefen. Andrej ging mit einem unguten Gefühl
voraus. Abu Dun hatte

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