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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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entzog, von dem aber zugleich
eine Verlockung ausging, die mit jedem Atemzug stärker zu werden
schien. Und er fragte sich immer verwirrter, wieso er es nicht gleich
gespürt hatte wie schon damals, als sie sich das erste Mal begegnet
waren.
Schließlich gelangten sie in einen Teil des Palastes, in dem die allgegenwärtige Pracht und der zur Schau gestellte Luxus noch einmal
zunahmen. Die Wände wirkten, als seien sie mit Gold bedeckt, auf
dem Boden lagen Teppiche, die selbst den Hufschlag eines Pferdes
verschluckt hätten, und die Luft war von unterschiedlichen Wohlgerüchen erfüllt. Sie waren Meruhe jetzt nahe, das spürte er.
»Wir müssen ganz in der Nähe des Harems sein«, sagte Abu Dun
nach einer Weile.
Selbst, wenn Andrej es schon allein wegen der kostbaren Teppiche
und Stoffe, der wertvollen Einrichtung, der Blumen, die überall aufgestellt waren, nicht schon vermutet hätte, hätte er es wahrscheinlich
gerochen. Die Luft war vom Duft teurer, exotischer Parfüms erfüllt,
und allein zweimal waren sie an großen, kunstvoll aus dünnen Messingstäben gefertigten Käfigen vorbeigekommen, in denen prachtvolle Vögel gefangen gehalten wurden. Er schätzte Faruk nicht als einen
Mann ein, der diese Art von Luxus und Pomp für sich selbst bevorzugte, sehr wohl aber als einen, der seine Frauen damit zu beeindrucken versuchte.
Darüber hinaus spürte er immer deutlicher, wie nahe sie Meruhe
jetzt waren.
Abu Dun gebot ihm mit einer raschen, lautlosen Geste, sich still zu
verhalten, und Andrej presste sich gegen die Wand des nur von blassem Dämmerlicht erleuchteten Flurs und verschmolz mit den Schatten. Nur einen Moment später hörten sie Schritte, die sich ihrer Position näherten, dann aber plötzlich abbrachen. Eine Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen, und dann wehte die Wolke eines süßlichen, aufdringlichen Parfüms zu ihnen hin. Abu Dun grinste und
machte eine Geste, die Andrej im allerersten Moment nicht verstand;
dann wurde ihm klar, dass sie um ein Haar einem der Eunuchen in
die Arme gelaufen wären, die hier ihren Dienst versahen.
Abu Dun huschte lautlos voraus, spähte um die nächste Biegung
und gab ihm dann ein Zeichen, dass alles in Ordnung sei. Ohne auf
ihn zu warten, huschte er los. Als Andrej die Abzweigung ebenfalls
erreicht hatte, hatte Abu Dun den angrenzenden Gang bereits halb
durchquert.
Er endete vor einer hohen, reich mit Schnitzereien und goldenen
Einlegearbeiten verzierten Tür, durch die gedämpfte Stimmen drangen. Die Wand, in die sie eingelassen war, war nicht massiv, sondern
bestand aus einem überaus kunstvoll geschnitzten Gitterwerk, durch
das flackerndes gelbes Licht fiel. Dahinter waren Schatten zu erkennen. Abu Dun trat lautlos an diese Wand heran und lugte hindurch,
und nur einen Augenblick später nahm Andrej neben der Tür Aufstellung.
Es war nicht Meruhe, die sie gefunden hatten. Andrej spürte ihre
Nähe jetzt so intensiv, dass er sich beherrschen musste, sich nicht
ununterbrochen umzusehen und sich davon zu überzeugen, dass sie
nicht hinter oder neben ihm stand. Die beiden Männer, die sich auf
der anderen Seite der Gitterwand befanden, waren Emir Faruk und
Ali Jhin. Andrej glaubte auch die Nähe von mindestens zwei weiteren Menschen zu fühlen - wahrscheinlich Wächter -, doch wenn sie
sich in dem angrenzenden Raum befanden, hatten sie sich so postiert,
dass er sie nicht sehen konnte.
Abu Dun warf ihm einen fragenden Blick zu, doch Andrej schüttelte hastig den Kopf und bedeutete ihm, still zu sein und zu lauschen.
Er selbst tat dasselbe und versuchte zugleich, die beiden Männer
durch die winzigen Lücken und geschnitzten Öffnungen in der
Trennwand zu beobachten. Faruk saß auf einem niedrigen, mit zahllosen, reich bestickten Kissen übersäten Diwan und drehte ihm den
Rücken zu, während der Sklavenhändler mit nervösen kleinen Schritten im Zimmer auf und ab ging und dabei unentwegt mit dem gesunden Arm herumfuchtelte. Seine Stimme war schrill und krächzend,
doch Andrej hörte auch, dass es nicht nur Zorn und Erregung waren,
die aus ihr sprachen. Die schrecklichen Verletzungen, die er davongetragen hatte, mussten auch seine Stimmbänder in Mitleidenschaft
gezogen haben.
»… war nicht besonders klug, Emir«, sagte er in diesem Moment.
»Man stößt diese Männer nicht vor den Kopf. Nicht so, wie Ihr es
getan habt.«
»Überlege dir, was du sagst«, antwortete Faruk, zwar leiser und mit
fast ausdrucksloser Stimme, dennoch aber

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