Die Verfluchten
überrascht die Stirn, während Ali Jhin auf die Knie
fiel und die Münzen einzusammeln begann. »Wenn Faruk wirklich
der Mann ist, als den man ihn beschreibt, wieso lässt er Ali Jhin dann
nicht einfach die Kehle durchschneiden?«
Diesmal reagierte Abu Dun nicht auf die Frage, aber das hatte Andrej auch nicht erwartet. Er begann sich seine eigenen Gedanken zu
machen, und das Ergebnis, zu dem er gelangte, gefiel ihm überhaupt
nicht.
Als wäre der Sklavenhändler gar nicht mehr vorhanden, wandte
sich Faruk wieder dem schwarzhäutigen Fremden zu. Sie setzten ihr
Gespräch fort, jetzt aber leiser, sodass Abu Dun offensichtlich überhaupt nichts mehr verstand, wie Andrej an seinem hilfloser werdenden Gesichtsausdruck ablas. Ihre Gesten und Blicke machten jedoch
zweifelsfrei klar, worum es bei diesem Gespräch ging.
Der Fremde wollte Meruhe, und Faruk wollte sie ihm ganz offensichtlich nicht geben. Obwohl Andrej nicht ein einziges Wort
verstand, spürte er doch, dass es bei diesem Disput nicht um Geld
ging. Mardina war eine reiche Stadt, und Faruk ein Herrscher, der
sein Volk bis aufs Blut ausquetschte und vermutlich nicht einmal
selbst genau wusste, wie reich er war. Möglicherweise gehörte er zu
jenen, die trotzdem immer noch mehr wollten, ganz egal, wie viel sie
schon hatten, aber dort unten ging es um etwas anderes.
»Vielleicht ist das sogar die beste Gelegenheit«, murmelte Abu Dun
plötzlich.
Andrej sah ihn fragend an. »Wofür?«
»Es sind nur vier oder fünf«, fuhr Abu Dun fort, ohne den Blick
vom Hof und den Reitern zu nehmen. »Wenn wir ihnen folgen, können wir sie leichter befreien als hier.«
Wahrscheinlich hatte er damit Recht, und trotzdem sträubte sich alles in Andrej bei dem bloßen Gedanken, sich mit diesen unheimlichen, weiß gekleideten Riesen anzulegen. Keiner von ihnen war
deutlich kleiner als Abu Dun, und obwohl sie keinerlei sichtbare
Waffen trugen, spürte Andrej doch, wie gefährlich diese Männer
waren. Es war der Krieger in ihm, der die Krieger dort unten erkannte. Abu Dun und er zusammen hatten es schon mit einer größeren
Übermacht aufgenommen, und mit Männern, die weitaus beeindruckender ausgesehen hatten. Aber etwas an diesen Gestalten… warnte ihn.
Er schloss die Augen und lauschte mit anderen Sinnen in den Hof
hinab. Da war etwas, aber er konnte nicht sagen, was. Es war nicht
die Anwesenheit von anderen Unsterblichen, die er spürte. Er kam
sich vor wie ein Mann, der sich in vollkommener Dunkelheit durch
ein an sich vertrautes Zimmer tastet und plötzlich ein Geräusch hört,
das er nicht einzuordnen vermag.
Verwirrt öffnete er die Augen wieder und sah, wie Faruk einen halben Schritt zurücktrat und dann eine herrische Geste machte. Der
Fremde beantwortete sie mit einem angedeuteten Nicken, von dem
man selbst über die große Entfernung hinweg erkennen konnte, wie
spöttisch es gemeint war, drehte sich dann ruhig um und ging zu seinem Pferd. Ohne noch ein einziges Wort zu sagen oder auch nur zu
Faruk und seinen Begleitern zurückzublicken, stieg er in den Sattel.
Seine Begleiter taten es ihm gleich, und die ganze Gruppe verließ
den Innenhof. Faruk blieb reglos stehen und starrte ihnen nach, bis
sich das Tor mit einem dumpfen Knall hinter ihnen geschlossen hatte, dann wandte er sich zu Ali Jhin um, der immer noch damit beschäftigt war, Goldmünzen vom Pflaster aufzuheben, und deutete in
Richtung der Tür, aus der er und Meruhe gekommen waren. Ali Jhin
raffte hastig noch ein paar Münzen zusammen, stand dann auf und
humpelte so schnell hinter dem Emir und seinen Begleitern her, wie
er nur konnte. Nur einen Moment später schloss sich die Tür wieder
hinter ihnen, und Abu Dun seufzte tief.
»Schade«, murmelte er. »Es hätte ja auch einmal etwas ganz einfach sein können, oder?«
Andrej war nicht sicher, was er darauf sagen sollte. So absurd es
ihm selbst vorkam, war doch ein Teil von ihm erleichtert, dass sie es
jetzt nur mit Ali Jhin, Faruk und einer vermutlich dreistelligen Anzahl von Soldaten zu tun bekommen würden, um Meruhe zu befreien, nicht mit diesen unheimlichen Fremden.
Aber das war albern.
Die Männer hatten tatsächlich unheimlich gewirkt, aber jetzt, als er
ihrem Anblick nicht mehr unmittelbar ausgesetzt war, machte er sich
klar, dass sie genau das beabsichtigt hatten. Die Art, auf die ihre ausgesucht großen Pferde aufgezäumt waren, ihre totenweiße Kleidung,
die in krassem Kontrast zu ihrer schwarzen Haut stand, selbst
Weitere Kostenlose Bücher