Die Verfluchten
Schatten erkennen
konnte, aber das brauchte er auch nicht, um zu wissen, dass sie dort
unten war…. Er spürte ihre Anwesenheit.
»Das muss Faruk sein«, flüsterte Abu Dun.
»Der Große?«
»Ja. Mustafa hat vor ein paar Tagen von ihm gesprochen und ihn so
beschrieben.« Abu Dun lachte rau. »Auch, wenn seine Worte nicht
besonders schmeichelhaft waren.«
Andrej bedeutete Abu Dun mit einer raschen Geste, zu schweigen,
und lauschte gleichzeitig konzentriert. Aus der Gruppe der weiß gekleideten Reiter löste sich jetzt ein einzelner Mann und trat Faruk
und seinen Soldaten entgegen. Ali Jhin, der den Innenhof immer
noch nicht ganz erreicht hatte, beschleunigte seine Schritte und rannte jetzt fast. Andrej versuchte das Gesicht des Fremden zu erkennen,
aber das Licht reichte selbst für seine scharfen Augen nicht aus, und
der Wind stand ungünstig, sodass er auch nicht hören konnte, was
dort unten gesprochen wurde. Die wenigen Wortfetzen, die dennoch
an sein Ohr drangen, halfen ihm auch nicht weiter, denn Faruk und
der Fremde bedienten sich offensichtlich wieder einmal einer Sprache, derer er nicht mächtig war.
Dennoch blieb es dabei: Etwas an diesem Fremden war… sonderbar. Andrej hätte vielleicht das Wort unheimlich gewählt, wäre er
nicht zugleich instinktiv davor zurückgeschreckt, und sei es nur, um
diesen seltsamen Reitern auf diese Weise nicht noch mehr Bedeutung
beizumessen.
Immerhin konnte er jetzt sehen, warum er unter dem weißen Turban nichts als Dunkelheit erkannte. Die Haut des Fremden war so
schwarz wie die Abu Duns, und das galt auch für seine Begleiter, die
zwar in respektvollem Abstand zurückgeblieben waren, aber jede
seiner Bewegungen aufmerksam verfolgten, ebenso wie die Faruks.
»Kannst du hören, was sie reden?«, flüsterte er. Abu Dun schüttelte
den Kopf, hob zugleich aber auch die Schultern. »Die alte Sprache«,
murmelte er.
Andrej war nicht überrascht, aber das Gefühl, Zeuge von etwas Unheimlichem und auf eigentümliche Weise Verbotenem zu werden,
wurde noch stärker.
Er versuchte den Gedanken abzuschütteln und blickte wieder zu
Meruhe. Genau wie die beiden Wachen, die sie flankierten, war sie
ein Stück zurückgeblieben und drehte dann plötzlich den Kopf, als
der Mann, von dem Abu Dun behauptet hatte, es wäre Ali Jhin, endlich den Hof erreicht hatte und mit schnellen Schritten auf Faruk und
den Fremden zuging. Der Emir empfing ihn mit einer ärgerlichen
Geste und einem Schwall wütend klingender Worte, während der
schwarzhäutige Fremde ihn nur eines knappen Blickes würdigte.
Dann trat er in den schmalen Streifen aus Sternenlicht hinein, der den
Boden des Innenhofes erreichte, und jetzt erkannte ihn auch Andrej.
Auch, wenn es ihm im ersten Moment schwer fiel. Es war Ali Jhin,
aber er hatte sich auf furchtbare Weise verändert. Die rechte Seite
seines Gesichts schien nur noch aus einer einzigen, grässlich anzusehenden Narbe zu bestehen. Das Auge war verschwunden, und das
Fleisch über Kinn und Wange zu etwas geworden, das eher an die
Borke eines uralten Baumes erinnerte und nass im Sternenlicht
glänzte. Andrej sah erst jetzt, dass er auch den rechten Arm in einer
unnatürlichen Haltung angewinkelt trug und beim Gehen das rechte
Bein ein wenig hinterher zog. Das also war es, dachte er schaudernd,
was der Khamsin ihm angetan hatte. Es erschien ihm fast unmöglich,
dass ein normaler, sterblicher Mensch diese schrecklichen Verletzungen überlebt haben sollte, aber es war ganz eindeutig Ali Jhin.
»Worüber streiten sie?«, murmelte er.
»Ich kann nicht alles verstehen«, flüsterte Abu Dun. »Aber ich
glaube, es geht um Meruhe. Ali Jhin verlangt einen höheren Preis,
jetzt, wo er weiß, wer der Fremde ist.«
»Und wer ist er?«, wollte Andrej wissen.
Er bekam nur ein hilfloses Schulterzucken zur Antwort, schluckte
seinen Ärger aber herunter. Abu Dun verstand vermutlich nur
Bruchstücke dessen, was dort unten geredet wurde.
Ali Jhin und sein Gegenüber stritten sich noch eine Weile ebenso
lautstark wie gestenreich weiter, dann beendete Faruk das Gespräch
mit einer wütenden Bewegung, winkte einen der beiden Gardisten
herbei und streckte fordernd die Hand aus. Der Mann griff unter seine Uniform und zog etwas heraus, das Faruk ihm regelrecht aus der
Hand riss und Ali Jhin vor die Füße warf. Es platzte auf. Das helle
Klimpern von Metall war zu hören, und plötzlich funkelte es goldfarben vor den Füßen des Sklavenhändlers.
Andrej runzelte
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